"Wie haben tatsächlich Spaß auf der Bühne, auch wenn es nicht
so aussieht." Die Wahrheit, nichts als die Wahrheit. Eine Live-Show der Nine
Inch Nails ist keine leichte Abendunterhaltung, sonder eher ein
Trainingsprogramm für Gehirnzellen auf Gratwanderung. Grausam gut, und
weitgehend einem Mann zu verdanken: Trent Reznor ist der 25-jährige Mastermind
hinter einem Musikprojekt, dass sich in drei Jahren zum technischen
Killerprogramm entwickelt hat. PRETTY HATE MACHINE heißt das erste Tondokument
des ganz normalen Wahnsinns eines Einzelgängers, der 1988 einer klassischen
Piano-Ausbildung und diversen Brot-Jobs am Synthesizer den Rücken kehrte, um die
Schnittstelle zwischen Popmechanismus und Hardcore-Techno zu suchen. 1989 ist
das Debutwerk in den USA erschienen, und kam nun mit zweijähriger Verspätung
auch in Deutschland auf den Markt. PRETTY HATE MACHINE, mit prominenter
Produzentenhilfe von Flood (DEpeche Mode), Adrian Sherwood (Mark Stewart,
Tackhead), John Fryer und Keith LeBlanc entstanden, liefert mehr für Herz und
Hirn als das Standardprogramm im Regal des durchschnittliche Techno-Freaks.
Harte Computer-Rhythmen rappeln im Verbund mit satt eingestreuten Gitarrenriffs,
atmosphärische Samples und Keyboardklänge, veredelt von betörenden Hooklines
bringen klinische Kälte zum Brodeln und so manchen Computerfeind zu
unkontrollierten Körperzuckungen.
Der Meister indes ist schon wieder einen Schritt weiter:
"Wahrheit ist der Grundsatz, man darf den Leuten nichts vorspielen. Wut,
Aggression, Haß, Schmerz und auch Liebe kannst du nur ausdrücken, wenn du sie
auch wahrhaftig fühlst." Um seine musikalische Weltsicht auch adäquat auf die
Bühne zu bringen, hat Trent Renzor vier Musiker engagiert, "von denen ich
wusste, dass sie vielleicht nicht die besten sind Instrumentalisten der Welt
sind, aber die Gefühle meiner Stücke nachvollziehen können." Unübersehbar, wenn
Nine Inch Nails im Quartett die Techno-Arien des Chefs inszenieren, ist kein
Instrument sicher. Zwischen Ekstase und Weltuntergang im Stroboskopgewitter,
kann dort oben auf der Bühne alles passieren. Etwa, dass Trent Reznor seine
eigenen Musiker von der Bühne schubst, oder mal eben seine Lieblingsgitarre
zweiteilt. "Wenn meine Energie einen bestimmten Punkt erreicht hat, passieren
die Dinge von selber. Über die kaputte Gitarre habe ich mich danach allerdings
tierisch geärgert." Seinen friedfertigen Kollegen gibt er notfalls meditative
Nachhilfe zur perfekten Besinnungslosigkeit. "Wir haben einen Song im Programm,
da muß ich bis zum Schluß immer nur zwei Akkorde spielen," erinnert sich
Gitarrist Richard Patrick an seine frühen Lehrjahre bei Meister Reznor, " ich
konnte damit überhaupt nichts anfangen, bis Trent sagt: ´Denk nicht an die zwei
Akkorde, wenn du spielst, sonder denk nur: Fuck You! Fuck You! Fuck You!' Und
plötzlich entwickelte sich aus den zwei langweiligen, nervtötenden Akkorden die
pure Aggression. Ich glaube, das erklärt viel von dieser Musik. Es bringt Nine
Inch Nails auf den Punkt."
(mw)