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Es ist schon ein wenig skurril: So manche
deutsche Indieband mit nicht einmal 2000 verkauften Tonträgern reißt sich bei
der Präsentation seiner selbst alles mögliche auf, um zu gefallen. Da werden
hochglänzende Infos erstellt, von Journalisten getextet und Fotografen
bebildert, sowie entsprechende Parties zelebriert, die oftmals fast das gesamte
Budget verschlingen. Hält man dagegen die zwei neuen Tonträger der
amerikanischen lndustrial-Rocker Nine lnch Nails, “Fixed“ und “Broken“ in
Händen, fragt man sich zu recht, ob denn das entsprechende - ebenso einseitige,
wie spartanische - Info-Material einer US-Top-Ten-Band entstammt. Tatsächlich,
so steht es allerorts geschrieben, war ihr erstes Album “Pretty Hate Machine‘
1990 der Megaseller schlechthin. Laut Info bewegte sich das Werk damals mehr
als 90 Wochen (!) in den US-Billboard-Charts, gebar drei Single-Auskopplungen,
die sich in den Alternative-Listen jeweils unter die ersten fünf Plätze
mischten. Kurzum, die Scheibe verkaufte sich rund eine Million Mal. Um das zu
erreichen, bedurfte es nichts mehr als Frustration, Isolation, Leidenschaft und
einer Menge Ärger. Das sind nämlich die Zutaten, aus denen TRENT REZNOR- “Trent
ist NIN, NIN ist Trent“ - seine Energien schöpft.
So auch
wieder bei “Broken“:
“In dieser Zeit
(in der „Broken“ entstand, Anm. der. Red.) meines Lebens hatte ich mit einigen
Dingen Schwierigkeiten und Ärger. Eines der Hauptthemen auf “Broken“ ist die
Realisierung dessen, daß ich etliche Dinge, die mir viel bedeuteten, nach und
nach verloren habe. Unter anderem gehörte dazu auch mein Selbstwertgefühl - ich
fühlte mich einfach mies. Hinzu kam gewichtiger Ärger mit der Plattenfirma TVT,
der fast zur Auflösung von NIN führte. Sie behinderten und in allem was wir
vorhatten“, beschreibt Trent seine damalige Situation.
Mit „Broken“
wurde ihm dann doch die Freiheit gegeben die er für die Produktion brauchte;
frei nach der Devise, „mach und bring uns dann das Tape vorbei“: Sechs Stücke lieferten
NIN auf dem Mini-Longplayer ab. Anfangs schien es, als sei alles ein Fehler der
Technik, zeigt doch der CD-Player 99 Stücke an. Tatsächlich, nach den sechs
Stücken (circa 20 Minuten) folgen 91 „Stücke“ (zehn Minuten lang) mit nichts
anderem als einem immer wieder von vier Sekunden herunterzählenden Countdown.
Doch Nummer 98 und 99 bringen dann doch noch etwas für die Ohren. Ganz spaßig,
oder nur ein Symbol für das ständig scheiternde 1,2,3,4-Opening der Marke
Seelenzustand Trent Reznor? Stilistisch bewegen sich die neuen Aufnahmen von
NIN stark in die Ecke dessen, was landauf, landab mit dem Begriff „Ministry“
assoziiert wird: Harter, rockiger Industrialsound. Stellenweise verkommt das
Ganze allerdings zu einem akutstischen Horrortrip; im nächsten Augenblick
scheint die Hifi-Anlage unter einem schmerzenden Zerren den Geist aufzugeben.
Die Musik von NIN wirkt abstoßend und anziehend zugleich, ist auf eine fiese
Art aber genial. Bei dem dritten Stück „Happiness In Slavery“, hat man das
NIN-Phänomen vielleicht am Besten beschrieben. Obwohl auf dem Album als letztes
platziert, ist “Gave Up“ vor “Slavery“ entstanden.
“Gave Up“
spiegelt für mich irgendwie den Konflikt zwischen Plattenfirma und mir wieder.
Wenn ich früher Songs geschrieben habe, war mir das fast peinlich, weil ich
immer sehr aus meinem eigenen Innenleben heraus rezitiere. Bei “Broken“ konnte
ich besser damit umgehen“, bringt Trent ein wenig Licht in das Dunkel.
Er sei auch
nicht der Typ, der viele Stücke schreibt. Die Songs, die auf “Pretty Hate Machine“
veröffentlicht wurden, seien beispielsweise die ersten gewesen, die er je
geschrieben habe. Auf “Broken“ arbeitete er bei drei Stücken mit dem
Produzenten Flood zusammen, dessen Arbeit bereits in Diensten von Depeche Mode,
U2 sowie den Charlatans stand. Ein Fakt, der für Trent mehr ein Problem als
eine Bereicherung zu sein scheint, vorausgesetzt, man schafft es, das Geflecht
von emotionalen Widersprüchen zu entwirren.
“Vorher habe
ich nie mit anderen Produzenten gearbeitet. Mit Flood hingegen, bin ich gut
klar gekommen. Er war eine angenehme Überraschung. Wir hatten viel Zeit und
Ruhe. Ehrlich gesagt. es ist nicht gerade das entstanden, was ich mir anfangs
vorgestellt hatte. Auf eine bestimmte Art war ich enttäuscht. Trotzdem ist es
gut geworden. Jetzt ist der Sound stärker von der Gitarre geprägt, als vom
Schlagzeug. Eigentlich mag ich es lieber genau andersherum. Die nächste Platte
soll darin wieder meine eigene Handschrift tragen.“
Das kann man
demzufolge von dem parallel zu “Broken“ veröffentlichten Album “Fixed“ nicht
gerade behaupten. Hier zeichnen sich insgesamt mehr als zehn andere Produzenten
für diverse Versionen von “Broken“-Stücken verantwortlich. Läßt man „Fixed“ als
eine wüste
Remix-Orgie
einmal außer acht, so bleibt ein Album übrig, das sicherlich einen
Gemütszustand zu beschreiben vermag, viele Fragen aber dennoch offen lässt. Fazit: Hammer my hands, nail my
feed, fuck my brain.
Jürgen Zilla
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