1990 war es dann soweit, in Amerika wurde "Pretty Hate
Machine", das Debüt-Album von NINE INCH NAILS, veröffentlicht (in Europa
erschien das Album ein Jahr später).
Seit seiner Veröffentlichung wurden von "Pretty Hate Machine"
mehr als 500.000 Exemplare verkauft, und Reznor erlangte schnell Kultstatus. Was
aber war das Besondere an dieser Platte? Für den kommerziellen sowie den
ideellen Erfolg dürften mehrere Faktoren verantwortlich sein: zum einen die zu
dem Zeitpunkt neuartige und nahezu perfekte Verbindung von elektronischen
Instrumenten und Gitarren (in Stücken wie "Sin" und "Ringfinger"), zum anderen
hatte Reznor, als Kontrapunkt zu den Maschinensounds, Texte geschrieben, deren
depressiver Grundtenor seitdem nur von ihm selbst wieder übertroffen wurde (lies
einmal die Texte zu "Down In It" oder "Terrible Lie"), und die sicher viele
Hörer nachvollziehen konnten. Hinzu kam auch noch, daß er als Sänger in der Lage
war, jeden der von ihm beschriebenen Gemütszustände durch seine Stimme glaubhaft
zu machen (Höhepunkt seines Könnens ist "Something I Can Never Have"). Leider
hat er bis heute nicht eindeutig geklärt, ob seine Texte lediglich berechnetes
Stilmittel oder wirklich erlebte Empfindungen sind.
Erstaunlich an "Pretty Hate Machine" war aber nicht nur die
Musik, sondern auch die Einflüsse, die der kreative Musiker dafür angab: JANE'S
ADDICTION, PUBLIC ENEMY, THIS MORTAL COIL, PRINCE (!!) und der Horrorautor Clive
Barker.
Aus "Pretty Hate Machine" wurden noch mehrere Singles
ausgekoppelt, "Head Like A Hole" (enthält auch Remixe von "Terrible Lie"), "Down
In It" (neben Remixen findet man auch die beeindruckende Demo-Version des
Stückes auf der Maxi-CD) und "Sin" (mit hervorragenden Adrian-Sherwood-Remixen
und der von MINISTRYs Alien Jourgensen produzierten Cover-Version des
QUEEN-Songs "Get Down Make Love"). NIN gingen auf Tour (u.a. auch mit GUNS 'N
ROSES), und danach wurde es sehr still um sie. Reznor tauchte nur noch auf der
REVOLTING COCKS-Maxi "Beers, Steers And Queers" auf (wo er im Hintergrund
mitgröhlt), wirkte beim ersten PIGFACE-Album mit und produzierte einen genialen
Remix von MEGADETHs "Symphony Of Destruction". Erst im Oktober 1992 gab es
wieder neues Material von NIN, die 6-Track-EP "Broken".
"Broken", zum Teil im Alleingang, zum Teil wieder mit Flood
produziert und dem Cover-Text zufolge von Reznors Live-Band beeinflußt, war im
Vergleich zu "Pretty Hate Machine" wesentlich gitarrenlastiger, lauter, wütender
- einfach extremer. "Broken" ließ "Pretty Hate Machine" wie ein Pop-Album
erscheinen. Geblieben waren die Texte, die Fähigkeit, unter dem ganzen Lärm noch
Melodien zu verstecken, und der charakteristische Gesang. Es war offensichtlich,
daß Reznor versuchte, die Stücke nicht mehr so eingängig zu machen. Es sollte
Schmerzen bereiten, sich NIN anzuhören. Totzdem war auch "Broken" ein Erfolg,
nicht nur in Amerika (Platz 5 der Album-Charts), auch auf dem europäischen
Festland konnte der vielseitige Künstler seinen Erfolg festigen, ohne sich bei
irgendjemandem anbiedern zu müssen.
Kurz nach "Broken" erschien "Fixed", ebenfalls eine
6-Track-EP, mit Remixen der "Broken"-Stücke oder, besser gesagt, "verschiedenen
Interpretationen von Songs, die in ihrer eigentlichen Form auf der 'Broken EP'
erscheinen" (laut Cover-Text). Diese "Interpretationen" von Jim "FOETUS"
Thirlwell (einem musikalischen Verwandten von Reznor, der auch schon EMF, THE
THE, FRONT 242 oder MURDER INC. bearbeitet hat), den amerikanischen
Elektronikern COIL und Butch Vig waren regelrechte Demontagen der einzelnen
Stücke und ließen befürchten, der NIN-Denker würde nun, in seiner Absicht mit
Hörkonventionen zu brechen, auch über die Leichen seiner eigenen Songs gehen.
Auf "The Downward Spiral" zelebriert Reznor, ein weiteres Mal mit Flood, diese
musikalische Destruktivität zwar weiter, aber bei weitem nicht so exzessiv wie
befürchtet. Vielmehr wird erst mit diesem neuen Album deutlich, welch breites
musikalisches Spektrum der Kopf der Band in sich birgt, verglichen mit diesem
Potential zeigen sowohl "Pretty Hate Machine" wie auch die beiden EPs nur Teile
seines Könnens auf. Dementsprechend findet man Songs, die von früheren
NIN-Veröffentlichungen sein könnten (z.B. "Mr. Selfdestruct" von der "Broken
EP", "Closer" von "Pretty Hate Machine"), andererseits aber auch völlig anders
klingende Stücke wie "Piggy" oder auch das Titelstück, die NIN zu einer völlig
eigenständigen Institution machen.
Momentan kursieren Gerüchte, daß NIN einen Song zum
KISS-Tribute-Sampler beisteuern werden, so daß die wachsende Fan-Gemeinde
Hoffnung schöpfen kann, nicht wieder so lange auf eine Veröffentlichung warten
zu müssen. Aber so sicher kann man sich bei jemandem wie Reznor wohl nicht sein.
Auf jeden Fall kommen NIN im Juni (endlich) nach Deutschland auf Tour, und da
sollte man (ich werde, koste es, was es wolle) hingehen.