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Jahr 1994

Intro Heft (Nr. 15)

Mai/Juni 1994

Fame - der (andere) Weg zum Ruhm

 

Autor nicht angegeben

 

Bevor Reznor überhaupt einen Ton veröffentlicht hat, arbeitete er vier Jahre im "Right-Track"-Tonstudio in Cleveland. Dort produzierte Reznor nachts, meist nach einer 12-Stunden-Schicht als Toningenieur, seine eigene Musik. Ungefähr ein Jahr zog sich diese Arbeit an den Demos hin, bevor er begann, eine Plattenfirma zu suchen und in New York das TV-Musik-Label TVT fand, welches mit ihm zusammenarbeiten wollte. Die Demos, die der Autodidakt zuvor in völliger Isolation in Cleveland aufgenommen hatte, wurden daraufhin von ihm und einigen namhaften Produzenten wie Flood (der auch DEPECHE MODE, NITZER EBB und U2 produziert), John Fryer (der ebenso schon für DEPECHE MODE und sehr viele Bands vom 4AD-Label gearbeitet hat), Adrian Sherwood und Keith Leblanc (beide bekannt durch die On-U-Sound-Clique) nachbearbeitet.

 1990 war es dann soweit, in Amerika wurde "Pretty Hate Machine", das Debüt-Album von NINE INCH NAILS, veröffentlicht (in Europa erschien das Album ein Jahr später).

 Seit seiner Veröffentlichung wurden von "Pretty Hate Machine" mehr als 500.000 Exemplare verkauft, und Reznor erlangte schnell Kultstatus. Was aber war das Besondere an dieser Platte? Für den kommerziellen sowie den ideellen Erfolg dürften mehrere Faktoren verantwortlich sein: zum einen die zu dem Zeitpunkt neuartige und nahezu perfekte Verbindung von elektronischen Instrumenten und Gitarren (in Stücken wie "Sin" und "Ringfinger"), zum anderen hatte Reznor, als Kontrapunkt zu den Maschinensounds, Texte geschrieben, deren depressiver Grundtenor seitdem nur von ihm selbst wieder übertroffen wurde (lies einmal die Texte zu "Down In It" oder "Terrible Lie"), und die sicher viele Hörer nachvollziehen konnten. Hinzu kam auch noch, daß er als Sänger in der Lage war, jeden der von ihm beschriebenen Gemütszustände durch seine Stimme glaubhaft zu machen (Höhepunkt seines Könnens ist "Something I Can Never Have"). Leider hat er bis heute nicht eindeutig geklärt, ob seine Texte lediglich berechnetes Stilmittel oder wirklich erlebte Empfindungen sind.

 Erstaunlich an "Pretty Hate Machine" war aber nicht nur die Musik, sondern auch die Einflüsse, die der kreative Musiker dafür angab: JANE'S ADDICTION, PUBLIC ENEMY, THIS MORTAL COIL, PRINCE (!!) und der Horrorautor Clive Barker.

 Aus "Pretty Hate Machine" wurden noch mehrere Singles ausgekoppelt, "Head Like A Hole" (enthält auch Remixe von "Terrible Lie"), "Down In It" (neben Remixen findet man auch die beeindruckende Demo-Version des Stückes auf der Maxi-CD) und "Sin" (mit hervorragenden Adrian-Sherwood-Remixen und der von MINISTRYs Alien Jourgensen produzierten Cover-Version des QUEEN-Songs "Get Down Make Love"). NIN gingen auf Tour (u.a. auch mit GUNS 'N ROSES), und danach wurde es sehr still um sie. Reznor tauchte nur noch auf der REVOLTING COCKS-Maxi "Beers, Steers And Queers" auf (wo er im Hintergrund mitgröhlt), wirkte beim ersten PIGFACE-Album mit und produzierte einen genialen Remix von MEGADETHs "Symphony Of Destruction". Erst im Oktober 1992 gab es wieder neues Material von NIN, die 6-Track-EP "Broken".

 "Broken", zum Teil im Alleingang, zum Teil wieder mit Flood produziert und dem Cover-Text zufolge von Reznors Live-Band beeinflußt, war im Vergleich zu "Pretty Hate Machine" wesentlich gitarrenlastiger, lauter, wütender - einfach extremer. "Broken" ließ "Pretty Hate Machine" wie ein Pop-Album erscheinen. Geblieben waren die Texte, die Fähigkeit, unter dem ganzen Lärm noch Melodien zu verstecken, und der charakteristische Gesang. Es war offensichtlich, daß Reznor versuchte, die Stücke nicht mehr so eingängig zu machen. Es sollte Schmerzen bereiten, sich NIN anzuhören. Totzdem war auch "Broken" ein Erfolg, nicht nur in Amerika (Platz 5 der Album-Charts), auch auf dem europäischen Festland konnte der vielseitige Künstler seinen Erfolg festigen, ohne sich bei irgendjemandem anbiedern zu müssen.

 Kurz nach "Broken" erschien "Fixed", ebenfalls eine 6-Track-EP, mit Remixen der "Broken"-Stücke oder, besser gesagt, "verschiedenen Interpretationen von Songs, die in ihrer eigentlichen Form auf der 'Broken EP' erscheinen" (laut Cover-Text). Diese "Interpretationen" von Jim "FOETUS" Thirlwell (einem musikalischen Verwandten von Reznor, der auch schon EMF, THE THE, FRONT 242 oder MURDER INC. bearbeitet hat), den amerikanischen Elektronikern COIL und Butch Vig waren regelrechte Demontagen der einzelnen Stücke und ließen befürchten, der NIN-Denker würde nun, in seiner Absicht mit Hörkonventionen zu brechen, auch über die Leichen seiner eigenen Songs gehen. Auf "The Downward Spiral" zelebriert Reznor, ein weiteres Mal mit Flood, diese musikalische Destruktivität zwar weiter, aber bei weitem nicht so exzessiv wie befürchtet. Vielmehr wird erst mit diesem neuen Album deutlich, welch breites musikalisches Spektrum der Kopf der Band in sich birgt, verglichen mit diesem Potential zeigen sowohl "Pretty Hate Machine" wie auch die beiden EPs nur Teile seines Könnens auf. Dementsprechend findet man Songs, die von früheren NIN-Veröffentlichungen sein könnten (z.B. "Mr. Selfdestruct" von der "Broken EP", "Closer" von "Pretty Hate Machine"), andererseits aber auch völlig anders klingende Stücke wie "Piggy" oder auch das Titelstück, die NIN zu einer völlig eigenständigen Institution machen.

 Momentan kursieren Gerüchte, daß NIN einen Song zum KISS-Tribute-Sampler beisteuern werden, so daß die wachsende Fan-Gemeinde Hoffnung schöpfen kann, nicht wieder so lange auf eine Veröffentlichung warten zu müssen. Aber so sicher kann man sich bei jemandem wie Reznor wohl nicht sein. Auf jeden Fall kommen NIN im Juni (endlich) nach Deutschland auf Tour, und da sollte man (ich werde, koste es, was es wolle) hingehen.

Michael

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