Gewalt! Paranoia! Gram! Willkommen in der NINE INCH
NAILS-Welt der Alpträume! Stefan Chirazi taucht tief in das Hirn des Hauptmannes
Trent Reznor ein, um die dunkle Wahrheit über das kontroverse neue NIN-Album,
"The Downward Spiral", herauszufinden!
Wir alle wünschen uns, dass Nine Inch Nails' Trent Reznor,
der blasse, verwundbare neue Gott des Industrial Hardrock, ein kleiner,
verdrehter Psychopath ist. "The Downward Spiral", das neueste NIN-Album, ein
Trip in die Tiefen menschlicher Verzweiflung, lässt das Image eines Mannes
entstehen, der mit aufgestauten Aggressionen durchs Leben läuft, nur einen
kleinen Schritt davon entfernt, in einem Supermarkt auf dem Land Amok zu
laufen…
Viele würden liebend gerne hören, dass Trent Reznor ein
verrückter, gewalttätiger Sadist ist, der in Fesseln fickt und dem Schmerz Spaß
macht. Wir fänden es gut, wenn Trent Reznor aus ein bisschen mehr wäre als nur
Fleisch und Blut. Bisschen Stahl und Gummi und Leder vielleicht?
Die Wirklichkeit: Trent ist ein kleiner, dünner,
scharfsinniger Mann, der im gleichen Boot sitzt wie wir alle, und der gerade
deshalb zu einem einzigartigen Künstler geworden ist. Reznor hat ein
eigenwilliges Begehren, das zu erreichen, was er will. Er lässt keine Zweifel
offen, dass die, die ihm im Weg stehen, nicht lange in seiner Gesellschaft
weilen werden.
"The Downward Spiral", sagt Reznor, "ist sehr kathartisch -
es kommt von mir. Ich war so etwa 13, als ich merkte, dass ich meine Gefühle
durch ein Musikinstrument ausdrücken konnte", erinnert er sich. "Ich war ein
gelernter Pianist, und ich hatte ständig Ärger, da ich die Stücke anders
spielte, als es eigentlich gedacht war. Ich veränderte Tonlagen, spielte herum,
und das durfte man nicht tun. Ich war schon immer ein neugieriger Typ. Ich war
kein schwachsinniges Kind, nein, ich war eher der Typ, der immer in der
Kunstschule war, Musik hörte und rumhing. Ich war ein Einzelgänger, und ich
haßte die Schule. Ich habe jetzt keine Freunde mehr aus dieser Zeit. Ich bereue
es aber nicht, in so einer Situation aufgewachsen zu sein, denn das hat mich
wahrscheinlich vor dem Schicksal bewahrt, ein Heroinsüchtiger oder Selbstmörder
zu werden, denn so was gab's damals nicht.
Erwachsen zu werden, war wie 18 Jahre lange in einem Lager zu
sein; man hört, dass da draußen eine Welt ist, wo Dinge geschehen, aber du
kannst nicht hin, weil du nicht weißt, wo es ist. Irgendwann hab' ich mir dann
gesagt, ganz klischee-mäßig, man lebt nur einmal. Ich erlaubte mir nicht, durch
Beziehungen, Jobs und Freunde feste Beziehungen einzugehen… Meine Familie wollte
das Beste für mich, und ich wollte nicht zur Schule gehen. Ich wollte ein
verdammter Rock-Musiker werden! Die Chancen sind da, dass du selbst im Alter von
45 Jahren noch im Bürgerzentrum spielst, aber ich habe immer an mich
geglaubt."
Reznor ist ein destruktiver Konstruktivist, der Spaß daran
hat, Dinge abzureißen und sie, passend zu Stimmungen und Gefühlen, wieder
auzubauen. Wie kommt ein junger Mann dazu, solch musikalisch extreme Wege
einzuschlagen, anstatt einfach eine Les Paul zu ergreifen und Rock'N'Roll-Songs
zu klampfen?
"Als ich begann, Gitarre zu spielen, habe ich
Rock'N'Roll-Songs gespielt. Ich hatte eine Vorstellung von dem, was ich machen
wollte, und ich fühlte mich immer ‚außerhalb' von allem. Als ich mich endlich
aufgerafft habe und aufgehört habe, Zeit zu verschwenden, war ich 23. Ich musste
mich testen, um zu sehen, ob ich wirklich was drauf hatte. Ich hatte vorher noch
nie einen Song geschrieben hatte auch jede nur mögliche Ausrede auf Lager, damit
das so bleiben konnte. Ich hatte Angst, dass es mies sein würde - und was würde
ich dann tun?"
War einfacher Hardrock zu begrenzt für deinen Drang, dich
auszudrücken?
"So habe ich das nicht gesehen. Meine Instrumente sind
Computer, Sampler, Drum-Maschinen und Technik. Live allerdings ist es sicher
unterhaltsamer, jemanden zuzusehen, der Gitarre spielt! Aber als ich im Alter
von 23 Jahren mit Nine Inch Nails begann, arbeitete ich in einem Studio und
konnte die ganze Nacht herumzuexperimentieren. David Bowies ‚Low' war wohl der
größte Einfluß auf "The Downward Spiral" für mich. Ich mag Bowie seit "Scary
Monsters", dann hörte ich "Low" und war sofort total begeistert. Ich bezog mich
songschreiberisch, stimmungsmäßig und songstrukturell darauf. Dadurch kam ich
dann zu Iggy Pop, Sachen wie "The Idiot", und Lou Reeds "Transformer"-Phase. Ich
find an, die alten Velvet Underground zu hören, die ich damals verpasst
hatte."
Aufgenommen wurde "The Downward Spiral" in dem Haus in Los
Angeles, in dem Sharon Tate, die Frau des Regisseurs Roman Polanski, von Charles
Mansons Anhängern umgebracht wurde. Hat Reznor dieses Haus nur ausgewählt, um
sich in eine Atmosphäre von Trauer,, Gewalt von Elend zu versetzen? Die Vibes in
diesem Wohnzimmer müssen furchtbar gewesen sein.
"Das Tate-Haus war einfach nur ein Haus. Man hat uns nicht
erzählt, was das für ein Haus war, als wir es uns ansahen. Der Grund, weshalb
ich mich dafür entschied war, dass es ein cooles, schönes Haus auf einem
wunderbaren, grünen Berghang ist, von dem man die ganze Stadt und den Ozean
sehen kann. Es ist sehr ruhig und abgeschlossen und auch nur fünf Minuten vom
Whiskey (berühmter LA-Club am Sunset Strip) entfernt.
Sollte es eine Vibe gegeben haben dann war das eine ruhige,
vielleicht auch etwas traurige Stimmung. Aber das Schöne an dem Haus, was meiner
Meinung nach nichts mit dem dort Geschehenen zu tun hat, war, dass ich es
wochenlang nicht verlassen habe. Das Haus war abgeschlossen, umzäunt, und als
mir klar wurde, wie sehr ich LA hasse, gab es keinen Grund, das Haus zu
verlassen. Das hat vielleicht zur Isolation und Platzangst der Platte
beigetragen."
Wird deine Arbeit immer so dunkel und kathartisch sein?
"Darüber habe ich auch schon nachgedacht. Diese Platte war
eine unangenehme Erfahrung. Es war so, wie wenn man in einen Gulli klettert und
den Deckel selbst über sich zumacht. Wenn ich im Studio bin, bin ich die ganze
Zeit drin, mindestens 14 Stunden am Tag. Und ich merkte, dass ich wieder tief
graben musste. Wir das immer so bleiben? Ich weiß es nicht."
Mega-Metal Mixmaster!
Trent Reznor diskutiert mit Stefan Chirazi über Metal und die
Kunst des Abmischens!
"Wenn ich Songs remixe, bin ich maßloser. Ich muß nicht so
selbstkritisch sein und kann mich austoben, und oftmals kommen die Dinge besser,
wenn kein Druck auf mir liegt. Es ist nicht so in der Art: ‚Hier sind zehn Songs
für meine Platte'. Deshalb freue ich mich auf die Remixe, wo viel Bullshit mit
drauf ist. Ich persönlich denke, es ist ein Fall von ‚try and error'."
Vielleicht ist Megadeths "Symphony Of Destruction" dein
einziger Fehlschlag im Bereich des Remixens?
"Mir gefällt dieser Mix. Mir macht die Produktion Spaß, denn
ich kann alles tun, was ich auch mit meinen eigenen Platten mache, und der
Schmerz-Faktor fehlt! Remixen ist anders, denn deine Aufgabe ist es, einen
Service zu leisten, und ich muß darüber nachdenken, was die Band von mir
erwartet. Ich finde, ich kann Dinge im voraus ahnen. Ich hörte, dass Mustaine
den Mix wirklich mochte, aber ich will so was jetzt erst mal nicht mehr
tun."
"Gibt es irgendwelche Heavy Metal-Acts, mit denen du dich
identifizieren kannst?
"Ich denke, Pantera sind eine großartige Band. Ich habe das
neue Album flüchtig gehört, lieh es meinem Gitarristen und bekam es nie wieder!
"Vulgar Display Of Power" ist stimmlich umwerfend. Die Wut ist erstaunlich, die
Kraft, und der unglaubliche Gitarren-Sound ist ein neuer Referenzpunkt. Was
diese Musikrichtung betrifft, habe ich niemanden gehört, der das besser
macht."