New York ist ein Glutofen. Es ist Labor Day, viele
Einheimische haben die Stadt verlassen, aber trotz Temperaturen über 30°C und
dicken Wolken, die den Smog zwischen den Häuserschluchten festhalten, ist der
Times Square voll von Leuten. 15 Meter über dem Pflaster verkündet eine große
pulsierende Neonreklame die Stars der diesjährigen MTV Awards: Britney Spears,
Backstreet Boys, Puff Daddy, N-Sync, Ricky Martin, NINE INCH NAILS…
Die Straßen, die vom Times Square wegführen, habe allesamt
neue Spitznamen für den Abend: Eminem Avenue, Lauryn Hill Street, Korn Road.
Jemand schlägt "Nine Inch Nails Sackgasse" vor. Dieser jemand ist Trent Reznor.
Das schweigsame Genie hinter Nine Inch Nails schenkt sich einen starken Kaffee
ein - wir sind im Zimmer 1506 im Time Hotel, eine Minute Fußweg vom Times Square
entfernt. Die Proben für Nine Inch Nails Auftritt auf den MTV Awards waren
intensiv und anstrengend, aber der 34jährige Reznor macht einen entspannten
Eindruck. Er wirkt schlanker als früher, ohne den Bart und mit kurzgeschnittenem
Haar. Er trägt eine schlichte schwarze Jeans, solide Armee-Stiefel und ein
violettes langärmeliges T-Shirt mit einem großen Riss am Nacken - offenbar ein
altgedientes Schätzchen.
Reznor mag New York. Eventuell wird er eines Tages hier
herzuziehen, bemerkt er, denn New Orleans ist er satt, nachdem er dort vier
Jahre in einer umgebauten Gedächtnishalle gearbeitet hat. "Ich brauche ein
kosmopolitisches Umfeld", erklärt er, "und ich hasse Los Angeles." Dennoch:
Diese Reise nach New York ist rein geschäftlich. "Wir sind noch nie live im
Fernsehen aufgetreten", sagt er leicht angenervt. "In Amerika kannst du in die
Situation kommen, dass du MTV brauchst, und am Ende stehst du in deinen
Unterhosen vor der Kamera, um dein neues Video anzusagen."
Am Vortag fuhren die Punkrocker Blink 182 auf einem offenen
Truck durch die Straßen von New York und spielten fast nackt Songs ihres neues
Albums: ein typischer MTV-Gag. "Wir schulden MTV nichts", stellt Reznor klar,
"deswegen können wir die Spielregeln festlegen wir die Spielregeln festlegen.
Unsere Show wird nicht sehr aufwendig sein, sie soll nur zeigen, dass wir leben
und unser neues Album erscheint."
Womit wir beim Thema sind: Fünf Jahre nach THE DOWNWARD
SPIRAL, dem Album, das Reznor als einen der kreativsten und einflussreichsten
Künstler der Neunziger etablierte; fünf Jahre, in denen Reznors Leben in
Trümmern lag und langsam wieder zusammengebaut wurde; fünf Jahre voll von
persönlichem und künstlerischem Ringen, erscheint ein neues Werk von Nine Inch
Nails. Der Titel ist vielsagend THE FRAGILE - das zerbrechliche. "Es geht um den
Versuch, Dinge zusammenzuhalten, die von sich aus nicht zusammen passen",
erklärt er.
Michael Trent Reznor fühlt sich, solange er denken kann, als
der einsamste Mensch auf diesem Planten. Man nannte ihn Trent, um ihn von seinem
Vater, Michael Reznor Senior, zu unterscheiden. Er hat eine Schwester, wuchs
aber als Einzelkind bei seinen Großeltern auf, nachdem sich seine Eltern
scheiden ließen. Trents Heimat war Mercer, Pennsylvania, "ein winziges Flecken
Nichts", in der Nähe der Stahlkocher-Stadt Pittsburgh.
"Es war mein größtes Ziel, dem ländlichen Pennsylvania zu
entkommen", erinnert er sich. "Es gab einfach nichts zu tun dort. Wenn ich heute
mal dorthin zurückkehre, sehe ich die Schönheit der Landschaft, aber als Kind
wollte ich so schnell wie möglich weg." Kurz nach seinem elften Geburtstag
begann er, Klavierstunden zu nehmen - auf Drängen seiner Großeltern. "Ich weiß
nicht, warum sie mich dazu gezwungen haben, aber ich bin froh drüber", grinst
er. "Es hat sofort geklickt. Seitdem wusste ich, was ich in meinem Leben
erreichen wollte: Musiker werden, in einer Rockband spielen."
In der Isolation von Mercer schien das jedoch lange Zeit ein
utopischer Traum. "Du bist so weit weg von all dem, was du im Fernsehen siehst;
die Entfernung scheint unüberbrückbar", erinnert er sich. "Das hat mich immer
extrem genervt, denn es sah so aus, als ob die Leute im Fernsehen immer extrem
viel Spaß hätten. Du wirst darauf trainiert, eines Tages eine Familie zu haben,
alle lächeln und sind glücklich und leben an einem Ozean, den ich das erste Mal
gesehen habe, als ich 18 verdammte Jahre alt war. Draußen in der Welt passieren
die Dinge, und ich gucke auf ein Kornfeld! Das Großereignis bei uns war ein
Besuch bei McDonald's. Ich habe mich wirklich verarscht gefühlt!"
Trent Reznor zog aus Mercer weg, sobald der konnte. Mit 18
schrieb e sich für einen Kurs in Computertechnik in der Nähe von Cleveland ein.
"Als Absicherung", erklärt er mit pseudo-erstnahstem Ton. Am College entdeckte
er das Radio, die Achtziger-Synthiepop-Explosion und "eine Million andere Bands,
die alle cooler als Foreigner waren". Damals noch mit Vokuhila-Frisur, die er
etwas peinlich berührt als "eher Duran Duran als Pro-Wrestler" beschreibt,
spielt Trent mit einigen College-Bands 20-Minuten-Versionen von ´Cocaine' oder
´Smoke On The Water', bevor er den Kurs aufgab und nach Cleveland zog, um eine
ernsthafte Band zu gründen. Es endete damit, dass er in Aufnahme-Studios arbeite
- meist, um die Klos zu putzen. Mit 23 merkte er, dass sein Leben in eine
Sackgasse lief. Beeinflusst von Industrial-Acts wie Cabaret Voltaire und Skinny
Puppy, machte er sich ernsthaft daran, Songs zu schreiben - Songs, die letztlich
zu PRETTY HATE MACHINE wurden, dem ersten, 1989 veröffentlichten Nine Inch
Nails-Album.
"Ich habe in meinem Tagebuch nachgesehen", eröffnet er mir.
"Es war voll von Hasserfüllten, aber sehr ehrlichen Gedanken. Erst dachte ich,
das kannst du nicht nach außen tragen, aber ich merkte, dass es gerade die
kompromisslose Ehrlichkeit war, die diese Worte wichtig machten. So wichtig,
dass es mir egal war, meine Persönlichkeit nach Außenstehenden zu öffnen. Ich
war nicht gerade stolz über viele Sachen, die ich auf diesem Album erzählte,
aber ich dachte mir, dass es eh niemand hören würde. Dann hat PRETTY HATE
MACHINE auf einmal Erfolg, und ich sitze in Interviews, ohne vorab eine Figur
erschaffen zu haben, hinter der ich mich verstecken kann. Die Platte war
ehrlich, daher kam ihre Kraft, und dann saß ich da und erzählte nur wahnsinnigen
Scheiß…"
Zu einer Zeit, da Guns N'Roses die größte Band der Welt waren
und Grunge noch nicht stattgefunden hatte, machten der Realismus und die
emotionale Kraft von Reznors Texten, kombiniert mit einer mutigen neuen Form von
Elektro-Rock, Nine Inch Nails einmalig. Der Wiederhall dieses ersten Albums
findet sich noch heute, zehn Jahre danach, in der Musik und den Texten von Korn
oder Marilyn Manson. Das einsame Kind aus Mercer hatte nun seinen Traum: Er war
ein Rockstar. Der Traum würde irgendwann zum Alptraum werden.
Mit dem 1994 erschienenen zweiten Album THE DOWNWARD SPIRAL
wurde Trent Reznor zur Pop-Ikone. Vorausgegangen waren zwei Mini-Alben, BROKEN
und dessen Remix-Zwilling FIXED. THE DOWNWARD SPIRAL brachte Industrial ins
Bewusstsein der Mainstream-Rockszene und verkaufte fünf Millionen Exemplare.
Gleichzeitig entstand eine gewaltige Nachfrage nach Reznors Talent als
Produzent. Direkt nach dem Ende der ´95er Welttournee begann er mit der Arbeit
an Marilyn Mansons ANTICHRIST SUPERSTAR in seinem Heimstudio in New Orleans
(nachdem er schon das Debüt PORTRAIT OF AN AMERICAN FAMILY produziert hatte).
Außerdem war er ausführender Produzent des Soundtracks zu Oliver Stones ´96er
Film ´Natural Born Killers', im Jahr darauf folgte der Soundtrack zu David
Lynchs ´Lost Highway'.
Reznor hat in all den Jahren sei THE DOWNWARD SPIRAL stets
auch neue Nine Inch Nails-Songs geschrieben, aber als es ernsthaft Zeit wurde,
die Arbeit an einem Nachfolger aufzunehmen, quälten ihn Zweifel und
Unsicherheit. 1997 nannte ihn das Time Magazine einen der 25 einflußreichsten
Amerikaner, aber Trent Reznor fühlte sich einsamer als je zuvor.
"Ich mag die Person nicht, die ich am Anfang dieses Albums
war", seufzt er, "THE DOWNWARD SPIRAL wurde zu einer sich selbst erfüllenden
Prophezeiung. Ich endete als ein Mensch mit einer verzerrten Persönlichkeit,
jemand, den ich nicht kannte. Ich kehrte von der endlosen Tournee zu diesem
Album zurück und erkannte den Ort nicht wieder, von dem ich aufgebrochen war.
Alles war anders. Es gab mehr Leute, die dir in den Arsch krochen, und mehr, die
nur darauf warteten, Zeuge deines Versagens zu sein. Ich stürzte mich direkt in
das Manson-Album, das war für mich eine Methode, auf Tour zu bleiben - geistig.
Jede Nacht war ein lächerliches Szenario. Am Ende hatte ich alle Illusionen
verloren."
Du hast einmal einen Nervenzusammenbruch angedeutet. War es
so schlimm? "Ja, wirklich, obwohl ich daraus keine große Geschichte für die
Presse machen möchte. Es war die harte Arbeit, die mich in einen Zustand der
Verzweiflung führte, emotionell wie … spirituell - ein besseres Wort fällt mir
nicht ein. Ich vermied es, mit dem neuen Album anzufangen, weil ich vergessen
hatte, dass es mir wirklich spaß macht, Musik zu spielen und zu hören. Der ganze
Scheiß, der das umgibt - manches ist gut, vieles schlecht -, verbarg vor mir den
eigentlichen Grund warum ich Musik mache."
Als inmitten seiner künstlerischen Verlorenheit Trents
Großmutter im Alter von 85 Jahren starb, spürte er gar nichts. Das gibt er mit
bemerkenswerter Ehrlichkeit zu: "Als es passierte, habe ich mich abgekapselt.
Ich fühlte mich erschreckend betäubt während der ganzen Angelegenheit - ich saß
da und wartete, dass mein Körper verfault, war nicht in der Lage, die Situation
anzunehmen und zu verarbeiten. Ich sah mich dazu außerstande. Es war der erste
Tod in meiner Familie, und er hat meine ganze Existenz in Frage gestellt. Ich
fing an, zu denken: ´Will ich das alles hier?' Ich kenne niemanden, der auf dem
Höhepunkt seiner Karriere einfach aufgehört hat, abgesehen von denen die sich
umgebracht haben. Das hatte ich nicht vor. Wiederum ging es also darum, dass ich
mich an meine Liebe zur Musik erinnerte."
Um sein Unglück zu vervollständigen verlor Trent zu dieser
Zeit auch einen guten Freund: Marilyn Manson. Nachdem er Manson auf seinem
eigenen Label Nothing herausgebracht und dessen Durchbruch ANITCHRIST SUPERSTAR
produziert hatte, fühlte er sich durch die Enthüllungen aus Mansons
Autobiographie ´The Long Hard Road Out Of Hell' betrogen. Dort wird er als
voyeuristischer Manipulator menschlicher Gefühle beschrieben, mit einem
Geschmack für ´beschissene Frauen'. Diese Beobachtungen stammen aus der Zeit
einer gemeinsamen Tour von Nine Inch Nails, Marilyn Manson und der Jim Rose
Circus Sideshow, einer S&M-Freakperformance.
"Ich kann das niemandem erklären, der nicht dabei war", meint
Trent dazu. "Es ist verrückt, stell' dir einfach die Art von Menschen vor, die
zu so einer Show kommen - jeder versucht, den anderen zu übertreffen. Ein paar
von den Typen im ´Circus' haben Hörner und einen Schwanz, einer von ihnen hat
versucht, sich in meinem Studio ein Loch in den Schädel bohren zu lassen, so
dass die Gehirnflüssigkeit rausrinnen kann - du bist dann immerzu high. Das war
das Niveau, auf das es hinauslief. Bald hätte es Leichen gegeben - und eine
Menge Fragen. Jim Rose ist derjenige, der letztlich an allem Schuld ist. Beim
ersten Zusammentreffen mit ihm aß ich eine Glühbirne und dachte dabei: ´Was
machst du hier?' Ich werde immer in solche Sachen hineingezogen. Wir saßen in
einer Cafeteria und er sagte: "Hier, nimm einen bissen." Ich habe nichts
geschluckt, aber alleine die Tatsache, dass ich das Ding in den Mund
nahm…"
Hast du das Gefühl, Manson habe sein Vertrauen missbraucht?
"Wenn bestimmte Leute die Grenze von dem, was anständig ist, überschreiten, will
ich nichts mehr mit ihnen zu tun haben", antwortet er vorsichtig. "Manson hat
diese Linie überschritten. Er sagte einige sehr ignorante, gemeine und bösartige
Sachen. Du kannst mir glauben oder jemand anderem, aber auf dieser Tour war ich
am Rande als Beobachter involviert, und auf einmal werde ich als der Anführer
beschrieben. Manson rührt in der Scheiße rum…"
Aus diesem Schmerz und Zorn wurde THE FRAGILE geboren, Trent
Reznors reifstes Werk. "Ich hasse den Gedanken, dass Unglück die Triebkraft ist,
die mein Künstlertum beflügelt", meint Reznor achselzuckend, "aber es ist eine
Inspiration." Mit 23 Songs in mehr als einhundert Minuten ist THE FRAGILE eine
Rarität auf dem heutigen Markt. Nicht nur, weil es ein Doppelalbum voller neuer
Songs ist - gehr zurück bis 1995 und MELLON COLLIE & THE IFINTE SADNESS von
den Smashing Pumpkins für einen treffenden Vergleich -, sondern auch, weil es
vor künstlerischer Integrität strotzt. Es gibt keine offensichtliche Single, es
ist Kunst um ihrer selbst willen.
"Ich klinge wie ein angeberisches Arschloch, wenn ich sage:
Ich mache Kunst", grinst Reznor. "Aber ich liebe viele Alben aus den Siebzigern,
denn damals hatte der Kommerz noch nicht seine Klauen in die Musik gehauen und
alles in ein ´Produkt' verwandelt. THE FRAGILE stellt einige Ansprüche an den
Zuhörer, aber es lohnt sich."
Reznor behauptet, er habe während der Arbeit kaum Radio
hingehört und statt dessen seine Lieblingsalben aus den Sechzigern und
Siebzigern wieder hervorgekramt: David Bowie, Lou Reed, Iggy Pop, Pink Floyd,
Queen und das legendäre Weiße Album der Beatles. Letzteres ist eine
unübersehbare Verbindung zu Nine Inch Nails, nachdem Reznor THE DOWNWARD SPIRAL
in dem Haus aufgenommen hatte, in dem 1969 Anhänger Charles Mansons neun
Partygäste ermordeten und dafür später das Weiße Album als Inspiration
angaben.
"Keiner meiner Bezugspunkte war aktuell", sagt Reznor, der
Atari Teenag Riot als "die einzige Band mit Substanz" unter den zeitgenössischen
Rock-Acts betrachtet. "David Bowie hat sich ständig neu erfunden und
herausgefordert, ist dabei oft genug gescheitert, aber er schrieb wichtige
Musik. Ich wollte immer alles wegschmeißen und komplett von vorne anfangen, aber
die Frage stellte sich: ´Lass ich das fallen, was gut war?' Alan Moulder hat das
Album zusammen mit mir produziert. Normalerweise gab es zu viele Ideen und zu
wenig ziele. Auf halbem Weg hatten wir noch keine Texte, das Album bestand nur
aus seltsamen Soundscapes, wie Filmmusik. Aber wir wollten ein wichtiges Album
erschaffen, nicht so ein selbstgefälliges Ding von zwei Typen, die den Kontakt
zur Realität verloren hatten."
Es war also wieder an der Zeit, dass Trent in seine
Tagebücher abtauchte und tief in die Dunkelheit seiner Seele griff. "THE
DOWNWARD SPIRAL war wie ein Abstieg", sagt er. "Ein Prozess des Häutens, immer
eine Schicht abkratzen, analysieren, bis man zu einem bestimmten Punkt gelangt.
Dieses Album beginnt im Zentrum, ganz unten."
Genauso wie bei den Vorläufern finden sich auf THE FRAGILE
Texte, die Reznor zurückblickend für etwas zu persönlich hält. Er zieht es vor,
die entsprechenden Songs nicht zu nennen und kehrt lieber zu einer
wissenschaftlichen Untersuchung der Musik zurück.
"Klanglich war unser Zugang so: Wir nahmen Instrumente, die
entweder kaputt waren, nicht richtig angeschlossen oder verstimmt. Dieses Album
ist keine harte, unverwüstliche Maschine wie THE DOWNWARD SPIRAL. Es ist rostig,
zerschossen, es wächst Moos auf seinen Flanken, Lehm und Büroklammern halten es
zusammen. Einzelne Teile können jederzeit herunterfallen." Er lächelt: "Das habe
ich mir jetzt gerade ausgedacht, aber es klingt ziemlich gut."
Reznor weinte fast, als er THE FRAGILE erstmals als fertige
Platte hörte. Das kommt nicht überraschend: Fünf Jahre seines Lebens, lange,
harte Jahre, finden sich komprimiert auf diesen zwei CDs. Während dieser Zeit
waren Reznor und Moulder so innig mit der Musik verwachsen, dass sie eine Kraft
von außerhalb mit einem frischen, unvorbelasteten Zugang finden mussten, als es
darum ging, die 23 Songs in eine Reihenfolge zu bringen. Es war der Auftritt von
Bob Ezrin, dem Produzenten von Pink Floyds THE WALL (einem anerkannten Einfluss
für THE FRAGILE) und klassischen Rockalben von Kiss und Alice Cooper. Nach
mehreren gescheiterten Anläufen gelang es Ezrin kurz vor dem endgültigen
Abgabetermin, in einer langen Nacht in Trents Studio alle Songs in die perfekte
Reihenfolge zu bringen. "Ich hatte nie untersucht, was ich mit diesen 23 Liedern
ausrücken wollte", gesteht Reznor. "Bis ich merkte das man sie in zwei Akte
organisieren konnte."
Das war es. THE FRAGILE ist vollendet. Und Trent ist so
glücklich wie eine lange Zeit nicht mehr. "Am Anfang fühlte ich mich schrecklich
einsam, als wäre ich der letzte Mensch auf der Erde, gefangen in einem Studio.
Jetzt fühle ich mich besser, ich kann in den Spiegel blicken und das mögen, was
ich sehe. Ich spüre immer noch einen Hauch von Einsamkeit und Mangel an
Vollständigkeit, aber ich lerne mich wieder besser kennen. Ich bin ziemlich
schüchtern, ich habe Angst vor Menschen, deswegen verstecke ich mich. Bei Nine
Inch Nails geht es vor allem um die Musik, es gibt nicht viel mehr zu sehen. Ich
habe nie mit dieser Geschichte begonnen, um berühmt zu werden und mein Gesicht
überall zu sehen. Ich kann damit fertig werden, aber das Interesse an meiner
Person ist ein Nebeneffekt dessen, was ich mache. Ich spiele nicht Musik, um
berühmt zu sein."
Ironischerweise offenbart Trent Reznor mehr von seinem wahren
Wesen in einem einzigen Songs als Marilyn Manson in seiner kompletten
Autobiographie. "Ich hielt mein Leben an, um dieses Album zu erschaffen", sagt
Reznor. "Ein Akt der Selbstbeobachtung um Studio. Jetzt kehre ich zurück zu
einem normalen, öffentlichen Leben, und finde mich in einer besseren Position,
mit den Resultaten daraus umzugehen. Ich fühle mich wirklich gut im Moment, denn
ich bin sehr stolz. Es überrascht mich auf angenehme Weise, dass das Album so
gut zusammenhält. Es gibt eine Szene in dem Film THE WALL, wo der Typ ein
Hotelzimmer verwüstet und danach versucht es wieder zusammenzusetzen. Natürlich
gelingt es ihm nicht richtig, aber er versucht die Dinge wieder annähernd wieder
herzustellen. Dieses Bild habe ich benutzt. Es hat mir geholfen."
Das ist die Essenz von THE FRAGILE und das Muster in einem
unruhigen Leben, von dem Trent Reznor das Gefühl hat, dass es nach 34 Jahren
endlich Sinn macht.
Paul Elliot