Selten wurde ein Album in Fachkreisen so heiß erwartet wie das seit
mindestens drei Jahren überfällige, vierte reguläre Werk von Trent Reznor, dem
einzigen kreativen Mitglied von »Nine Inch Nails«. Insbesondere in den USA war
dieser enigmatische Düsterling schon seit dem 1989er Debüt »Pretty Hate
Machine« zu Kultstatus gelangt.
Jenes Album verband erstmals
schroffe Industrial-Klänge mit Melodien und Beats, die auch einer breiteren
Konsumentenschicht gefielen, was ihn in den Augen vieler zum Übervater einer
ganz neuen Musikrichtung machte. Mit »Head Like a Hole« enthielt es jedenfalls
einen DER Hass-Hits des Jahrzehnts der »Teenage Angst«.
Galt Reznor schon damals
hauptsächlich aufgrund seiner brutalen Konzerte als aggressiv und
unberechenbar, so legte er mit «Broken« 1 992 noch mal heftigst nach. «Wish«
und vor allem »Happiness In Slavery« waren von brachialer Intensität, die auch
in verstörenden Videos zum Ausdruck kam.
1994 folgte “The Downward
Spiral“, schlug ein wie eine Bombe und rückte “Nine Inch Nails“ erstmals auch
in Europa ins Rampenlicht. Ein epochales Meisterwerk, bis heute unerreicht.
Tiefste Depression wurde noch nie vielschichtiger, versierter und
faszinierender verpackt.
Aber wie das eben so ist mit
Kultalben, der Anschluss daran ist unglaublich schwer. Reznor musste jedoch
nicht nur an dieser schwierigen Aufgabe knabbern, er hatte zudem persönliche
Tragödien zu überstehen und außerdem sein Label Nothing Records zu betreiben. Und
so dauerte es eine halbe Dekade, bis »The Fragile« in den Regalen stand. Um es
vorweg zu nehmen: An »Downward Spiral« kommt es nicht annähernd heran, doch das
heißt längst nicht, dass man sich das Geld sparen sollte. Im Gegenteil! Man
darf sich zwar nach wie vor über Sinn und Zweck eines Doppelalbums mit
auffällig hohem Instrumental-Anteil wundern, doch wer sich die Zeit nimmt,
diesen Marathon wirken zu lassen, wird feststellen, dass kaum ein überflüssiger
Ton zu bemängeln ist. Reznor hat seinen musikalischen Horizont nochmals
erweitert und findet offensichtlich immer mehr Gefallen an trägen, sich langsam
entfaltenden und immer intensiver werdenden Spannungskonstrukten. Seine energi
sche Ader hat er aber keineswegs abgelegt, wie die Single »We‘re In This Together
Now« beweist. »The Fragile« ist ein Werk, das Trent Reznors Ikonenstatus außer
Frage stellt, selbst wenn die Musik für viele bisherige Fans nur noch
eingeschränkt nachvollziehbar ist. Das wird nichts daran ändern, dass dieser
Mann als einer der bedeutendsten Künstler des Jahrzehnts in die Geschichte
eingehen wird.
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