Eigentlich ist er Gitarrist bei den Nine lnch Nails. Aber
schon in der Vergangenheit ist Danny Lohner fremdgegangen. So arbeitete er
bereits mit Rob Zombie zusammen und war auch für A Perfect Circle tätig. Je mehr
Zeit seit der letzten Veröffentlichung von Nine lnch Nails verstrich, desto
langweiliger wurde es Danny. So kam es, dass er ein Seitenprojekt gründete. Ein
weiteres kam hinzu, und plötzlich gab es derer drei. The Damning Well, Puscifer
und Renholder nennen sich seine neuen musikalischen Spielwiesen. Alle drei sind
auf dem Soundtrack des Horrorfilms Underworld vertreten. Muss noch erwähnt
werden, dass Danny den gesamten Soundtrack produzierte?
Bei den Nine Inch Nails ist der quirlige Amerikaner schon
seit gut zehn Jahren mit dabei. Neben den bereits erwähnten Nebentätigkeiten
arbeitete Danny außerdem für Everlast und Marilyn Manson. Auch fertigte er
Neuabmischungen für Eminem und U2 an. Tapeworm, dieser Name hat mittlerweile
schon eine mystisch verklärte Färbung angenommen und geistert seit Jahren im
Untergrund umher. An jener Band beteiligen sich die beiden Inchies Trent Reznor
und Danny. Weiterhin involviert sind James Maynard Keenan (Sänger von Tool und A
Perfect Circle( sowie Atticus Ross (Mitglied der auf Trent Reznors Nothing Label
erscheinenden Trip Hopper 12 Rounds). Danny bestätigt selbstironisch:
"Ja, diese Band existiert wirklich, auch wenn es nicht den
Anschein haben mag. Wir trödeln schon seit Jahren herum. Hier ein Song, dort ein
Studiotermin... Nun ja. Aber: Seit Juni 2002 gehen wir konzentrierter zu Werke.
Und welch Wunder: Wir haben mittlerweile das Album komplett! Als es dann ans
Abmischen gehen sollte, tunkten uns wieder die Aktivitäten von A Perfect Circle
und NIN dazwischen. Seitdem ist auch schon wieder ein Jahr vergangen. Wir werden
sehen…"
Natürlich klingen Tapeworm nicht zu sehr nach Nine lnch
Nails, wobei: Einige "Werkzeuge" - wie Danny sich ausdrückt -wurden durchaus
entliehen. Das heißt: "Tapeworm klingen minimalistischer, direkter und mehr auf
den Punkt gebracht. Es ist eben eine richtige Rockband", lautet die knappe
Umschreibung.
Tapeworm scheinen Dannys noch ungeborenes Kind zu sein. Die
Vaterschaft der -- Nine lnch Nails hat hingegen seit jeher Trent Reznor inne.
Ist also Danny "nur" Trents Handlanger, der das zu spielen hat, was der Chef
vorgibt?
"Uff, äh, ja …" der saß.
War aber nicht so gemeint, Herr Lohner. Wir unterhalten uns
ja nur im Dienste der Musikgeschichte. Dann, Äonen später:
"NIN ist Trents Baby, keine Frage. Aber er lässt mich schon.
Doch, doch. Ich darf ein bisschen programmieren. Gitarre und Bass spiele ich ja
auch. Selbst einige meiner Kompositionen wurden in die Lieder integriert.
Trotzdem ist meine Rolle eher schwebend, undefinierbar. Es handelt sich eben
nicht um eine konventionelle Band. Generell lässt sich sagen, dass alles mehr
oder weniger nach Trents Vorstellungen vonstatten geht. Dennoch: Er ist offen
für Vorschläge, undd manchmal geht er sogar auf sie ein…" gewährt Danny
Einblick.
Das kann zuweilen ein bisschen unbefriedigend sein, oder?
"Kann es, durchaus. Aber es ist eine Ehre, mit Trent zusammen
arbeiten zu dürfen. Er ist ein Genie. Das, was er erschafft, gehört mit zum
Besten, was die zeitgenössische Musik zu bieten hat" duftet es benebelnd nach
Weihrauch aus dem Hörer. Und jetzt kommt's: "Die Nine Inch Nails werden wohl
schon Anfang 2004 ein neues Album herausbringen. Ich kann schon jetzt sagen,
dass das neue Material weniger vielschichtig, simpler, direkter und teilweise
härter ausfallen wird. Aber eigentlich ist das ja ganz normal. "The Fragile" war
eben eher introvertiert und melancholisch. Trent ist allerdings unberechenbar.
Wer weiß, was er noch alles abändern wird. Deshalb möchte ich meine Aussage nur
unter Vorbehalt als zutreffend bezeichnen. Das gilt auch für den
Erscheinungstermin!"
Zeit hat man reichlich, wenn man Mitglied der Nine lnch Nails
ist. Es kann Monate dauern, bis Trent Reznor die Winzabschnitte eines Songs so
hingeschraubt hat, dass sie perfekt ineinander passen. Währenddessen wartet
Danny auf seinen Einsatz. irgendwann macht sich Langeweile breit. Die
Konsequenz: Danny vertreibt sich die Zeit anderweitig und wird kreativ.
"Wenn ich die Möglichkeit habe, mit interessanten Musikern
zusammenzuarbeiten, packe ich die Gelegenheit beim Schopfe", streicht Danny den
praktischen Nutzen der Warterei hervor. Irgendwann droht man jedoch den
Überblick zu verlieren. Vergisst man mitunter, für welche Band welches Riff
gedacht war, wenn man sich - was das musikalische Fremdgehen anbelangt - zu
promiskuitiv gebärdet?
"Das kann passieren", lacht Danny in einem Ton, als wäre ihm
gerade eben erst mit dieser Frage das angesprochene Problem ins Bewusstsein
getreten. Nach dem Motto: "Jetzt, wo du's sagst…' Aber Dannys Devise lautet:
Lieber in Arbeit ertrinken, als Pleite zu gehen. Recht hat er. Solange hierbei
so interessante Geschichten wie auf dem Underworld-Soundtrack herauskommen, darf
er gerne zum Workaholic werden.
Das erste Projekt, bei dem Danny seine Finger mit im Spiel
hatte, nennt sich The Damning Well. Zum Team gehören der A Perfect Circle
Schlagzeuger John Freese, der ehemalige Limp Bizkit-Gitarrist Wes Borland und
der Filter-Sänger Richard Patrick. Das präsentierte Stück Awakening ist zwar
eher durchschnittlich, die Kombination der beteiligten Musiker ist hingegen umso
interessanter. Von einer richtigen Band ist indes nicht zu sprechen.
" Es gibt vier Lieder. Dasjenige, welches auf dem Soundtrack
zu hören ist, wurde speziell für den Film angefertigt. Es ist eine
Auftragsarbeit. Der Rest entstand eher beiläufig, klingt aber interessanter.
Derzeit ist The Damning Well eher als Freizeitbeschäftigung zu sehen, die bisher
keine ernsthafteren Ziele verfolgt", gibt Danny Auskunft.
Übrigens war Richard Patrick vor gut einem Jahrzehnt
Gitarrist bei den Nine lnch Nails. Danny ist also Richards Nachfolger. Seitdem
ist man befreundet. Wes Borland traf Danny rein zufällig im Instrumentenhandel.
Man kam ins Gespräch und blieb in Kontakt. Das Gespann Keenan/Lohner tritt auf
dem Soundtrack als Puscifer in Erscheinung. James Maynard Keenan ist Opfer des
gleichen Phänomens wie Danny. Auch Tool sind bekanntlich nicht gerade eine Band
die oft und regelmäßig Platten veröffentlicht. So wird es auch Maynard auf die
Dauer langweilig.Deswegen startete er A Perfect Circle und betreibt
zusammen mit Danny Puscifer.
"Maynard möchte so viel mehr zum Ausdruck bringen. Dazu
reichen Tool einfach nicht aus. Es bietet sich für ihn regelrecht an, zwischen
den rar gesäten Tool-Alben etwas anderes auszuprobieren. Das bedeutet jedoch
nicht, dass er Tool vernachlässigen würde. Tool ist und bleibt sein
Hauptbeschäftigungsfeld. Puscifer ist eben auch eine Art Spielwiese, auf der
experimentiert wird. Aber wer weiß, irgendwann werden wir vielleicht doch eine
vollständige CD vorlegen." Der Name Puscifer an sich vermischt Satanisches mit
Sexuellern. "Das ist auf Maynards Mist gewachsen", entbindet sich Danny
jeglicher Erklärungspflicht.
Ebenso verhält es sich mit dem Stück Rev 22:20, das auf
Underworld zu finden ist. 222 ist bekanntlich ein Drittel von 666. Zufall?
"Natürlich nicht!", lacht Danny verschmitzt. "Maynard hat in der Bibel
geblättert und fand in der Offenbarung 22:20 etwas über die Rückkehr Jesu. Jesus
kommt sozusagen", winkt Danny mit dem Zaunpfahl und lacht ob seiner sexuellen
Anspielung noch dreckiger.
Renholder - hinter diesem auf dem Soundtrack erscheinenden
Projekt verbirgt sich Danny im Alleingang. "Ich komponiere auch klassische
Filmscores, welche dazu dienen, die Atmosphäre gewisser Filmpassagen zu
unterstreichen. Renholder ist nichts Besonderes. Mein Auftraggeber wollte es
eben mit auf der Compilation haben. Die Renholder-Stücke wirken allerdings ohne
den begleitenden Film eher blass und unfokussiert. Spricht man das Wort
Renholder rückwärts, beinhaltet es meinen Familiennamen. Das war wieder einer
von Maynards Scherzen. Auf dem Debut von A Perfect Circle gibt es übrigens auch
ein Lied mit dem gleichen Titel. Das ist eben mein Spitzname." Von Renholder ist
auch eine Neuabmischung des A Perfect Circle-Songs Judith auf dem Soundtrack
enthalten. Hier regiert nun der Industrial aber auch der Trip Hop und vor allem
Björk scheinen inspirierend zur Seite gestanden zu haben. "Gut möglich, dass man
das heraushört", stimmt Danny zu. "Ich mag Björk, Aphex Twin und Portishead.
Definitiv! Bewusst verarbeite ich diese Einflüsse jedoch nicht."
Michael Schäfer