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Jahr 2005

Deutsch Magazin

Juni 2005

Zurück im Leben

von Michael Geißler

 

An Trent Reznor, führender Kopf der Band "Nine Inch Nails", scheiden sich die Geister. Seine musikalischen Eruptionen sind verstörend und verzückend, experimentell und doch hörbar. Nach fünf Jahren Pause erlöst der 39-Jährige mit seinem vierten Studioalbum "With Teeth" die Fangemeinde vom Warten. Im Interview spricht der als Nihilist und menschenscheu geltende Multi-Instrumentalist über seine Drogenprobleme und den langen Weg zu seinem neuen Selbstbewusstsein.

 Trent, wie Lange haben die Aufnahmen für Ihr neues Album gedauert?

 Die Arbeit fing im Januar 2004 an. Im Mai hatte ich dann Material für fast zwei Alben zusammen, im Sommer habe ich es aufgenommen und bis Herbst abgemischt. Damit war es das schnellste Album, was ich je gemacht habe.

 Warum haben Sie so Lange mit neuen Aufnahmen gewartet?

 Ich habe die Zeit gebraucht, um mein Leben auf die Reihe zu bekommen. Es waren zu viel Alkohol und Drogen im Spiel. Dadurch bin ich ziemlich übel draufgekommen. Nach der letzten Tour hatte ich die Wahl: Entweder draufzugehen oder von den Drogen wegzukommen. Ich entschied mich zu leben und dafür alles Nötige zu tun. Das war ein langer Kampf, der mich völlig fertig gemacht hat. Im Zuge dessen brauchte ich ein paar Jahre Pause, denn ich musste erst wieder lernen, mich selbst zu kennen und zu schätzen. Schließlich habe ich den Mut gefunden, zu sehen, ob ich noch etwas zu sagen habe. Und ich könnte mir kein besseres Ergebnis wünschen.

Haben Sie Ihre Erfahrungen der vergangenen Jahre im neuen Album verarbeitet?

 Auf jeden Fall. Früher habe ich mit vielen schädlichen Sachen herumexperimentiert, die mich ziemlich aus der Bahn geworfen haben. Darum geht es beispielsweise in dem Stück "With Teeth".

 Das Album ist aber überraschend poppig geworden

 Ich weiß auch nicht, warum das dabei herausgekommen ist. Alles, was ich sagen kann, ist, dass ich nicht an dieses Album mit dem Anspruch herangegangen bin, meine Karriere wieder zu beleben. Es ging nicht darum, Zeit wieder aufzuholen, sondern darum, ein ehrliches Album zu machen. Ich wollte sehen, ob ich überhaupt noch in der Lage dazu bin. Der größte Katalysator im Entstehungsprozess war die Idee, wieder mit Demos zu arbeiten, wie ich es schon 1995 für das Album "Pretty Hate Machine" gemacht habe. Damals arbeitete ich mit Sound-Collagen, und manchmal kam dabei ein Song heraus. Diesmal wollte ich mit Worten, Stimmen und Melodien beginnen. Ich setzte mir zudem die Regel, alle zehn Tage zwei Songs fertig zu haben und erlaubte mir nicht, mich in Nebenschauplatzen zu verlieren. Dabei kamen mehr richtige Songs als Geräuschlandschaften zusammen.

 Fühlen Sie sich durch die Erfahrung des Neuanfangs wie neu geboren?

 Sie haben Recht, aber ich mag diesen Ausdruck nicht, weil er mich an bibelschwingende Idioten erinnert. Aber ganz bestimmt habe ich einen ganzen Schrank voll mit Problemen mit mir rumgeschleppt, den ich jetzt ausgeräumt habe. Fragen Sie mich in ein paar Tagen noch mal, und wir sehen, was denn ist.

 Sie sollen die Musik für sich neu entdeckt haben, als Sie Johnny Cashs Version von "Hurt" hörten. Was hat Sie daran so berührt?

 Rick Rubin hatte mich gefragt, was ich davon halten würde, wenn Johnny Cash den Song covern würde. Als ich ihn dann ein paar Wochen später hörte, war ich in einer zynischen Stimmung und fand seine Interpretation nicht besonders. Ich meine: Hier war Johnny Cash, der meinen ganz persönlichen Song mit seiner gigantischen Stimme sang. Das verletzte merkwürdigerweise irgendwie meine Intimsphäre. Als ich aber später das Video dazu sah, hat es mich völlig umgehauen. Ich bekam eine Gänsehaut, und mir stiegen Tränen in die Augen. Das war zu einer Zeit, als ich mich schon wieder wie ein Mensch fühlte, aber nicht sicher war, ob ich in der Lage sein würde Musik zu machen. Diese Situation hat mir gezeigt, wie stark Musik sein kann. Man könnte sogar sagen, dass Cashs Version die Bessere ist.

 Ein Song des neuen Albums heißt "Right Where lt Belongs". Der Text scheint sich auf die Thematik des Films "Matrix" zu beziehen, Ist er aus der Perspektive eines Drogensüchtigen heraus geschrieben, der nicht weiß, ob die Welt wirklich existiert oder nicht?

 Ich bin ein Drogenabhängiger. (lacht) Also wird es schon etwas damit zu tun haben. Vielleicht spielte aber auch rein, dass ich zu der Zeit, in der das Stück entstand, viel von Bob Dylan gehört habe.

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