Das Mondrian Hotel am Sunset Boulevard von Los Angeles.
Schneeweißer Designer-Chic, in den Trent Reznor so gut hineinpasst wie ein
Eisbär in die Sahara. Der Mann ist käsebleich, trägt pechschwarzes Haar zu
schwarzen Klamotten und fühlt sich angesichts eines zweitägigen
lnterview-Marathons sichtlich unwohl. Aus gutem Grund:
"Ich rede einfach nicht gern über mich," kommt es aus dünnen,
schmalen Lippen "Insbesondere das, was ich heute zu sagen habe, fällt mir nicht
gerade leicht: Ich bin nämlich clean, aber pleite.", lässt er die Katze aus dem
Sack - und nutzt dieses Gespräch zu einem halbstündigen Seelenstriptease, der an
eine AA-Sitzung erinnert: "Hi, mein Name ist Trent, ich bin ein Junkie." Denn
genau nach diesem Motto rollt der Mann, der in den 90ern den Industrie-Rock zum
Massenphänomen machte, seine Sinnkrise auf.,, Es war 2001, als ich eines Morgens
aufwachte und erkannte: Ich bin ein Alkoholiker und ein Drogenabhängiger; wenn
ich jetzt nichts dagegen mache, werde ich daran krepieren. Ganz einfach, weil
ich in miserabler körperlicher Verfassung war. Ich hatte etliche Probleme, vor
denen ich jahrelang weggelaufen war, außerdem keine Beziehungen, keine Freunde,
sondern nur die Musik. Obendrein war ich mit der nicht mal sonderlich zufrieden.
Also habe ich eine zweijährige Auszeit genommen, um wieder mit mir selbst
klarzukommen."
Wobei er dann feststellen musste, dass von den Millionen, die
er in den 90ern verdient hatte, nichts geblieben ist.
"Mein Manager, mit dem ich fast 20 Jahre zusammengearbeitet
habe, hat mich ausgenommen wie eine Weihnachtsgans. Das zu erkennen, tut
verdammt weh," zischt er. "Ich habe immer gedacht, mir könne so etwas nicht
passieren. Aber jetzt bin ich genau der dumme Rockstar, über den ich immer
gelacht habe. Ich habe mich nach Strich und Faden verarschen lassen - obendrein
habe ich auch noch artig danke gesagt. Deswegen führe ich gerade einen Prozess,
bei dem es fast so dreckig zugeht wie bei einer Scheidung."
Wovon er sich eine Nachzahlung von rund 20 Millionen
US-Dollar erhofft. Die Reznor, daraus macht er keinen Hehl, gut gebrauchen kann.
Schließlich unterhält er mit 'Nothing Records' ein Label, auf dem kaum etwas
passiert, sein Studio samt Personal verschlingt Unsummen und sein letztes Album
"The Fragile" von 1999 blieb weit hinter den Erwartungen zurück.
"Was die Sache nicht leichter macht", so Trent. Denn er
braucht dringend Geld für Anwälte, Musiker oder natürlich auch für das neue
Album, das er im kompletten Alleingang aufgenommen hat. "With Teeth" enthält 13
Stücke, die nur noch wenig mit den epischen Klanggemälden des Vorgängers zu tun
haben, sondern laut Trent "richtige kleine Songs" sind. Sie kommen deutlich
abgespeckter daher, sind nicht mehr so überladen, sondern stellenweise
überraschend simpel und einfach gehalten. Etwa "Only", ein verspieltes Stück
80er Jahre-Synthiepop, das an frühe Pet Shop Boys oder Human League erinnert.
"Früher hätte ich nie gewagt, so etwas zu veröffentlichen.", gibt Trent
unumwunden zu.,, Ich hätte Angst gehabt, dass es nicht tough genug klingt und
man mich deshalb auslacht. Schließlich hatte ich ein bestimmtes Image - dem ich
alle Ehre machen wollte. Genau das war mein Fehler." Eine unverhoffte Abrechnung
mit dem sorgsam gepflegten Ruf des exzentrischen "Prinzen der Finsternis', den
Reznor inzwischen als Monster bezeichnet. "Ich habe etwas gelebt, was ich nicht
bin, und das hat mich zu diesem todkranken, unglücklichen Menschen
gemacht."
Was nicht heißt, dass er nun, da er geläutert ist, das exakte
Gegenteil davon wäre. Trent lacht selten bis kaum, verzieht den Mund allenfalls
mal zu einem spöttischen Grinsen, betont aber, viel ausgeglichener und
optimistischer zu sein.
,,Ich versuche mein Leben zu genießen. Dafür wird es mit fast
40 ja auch langsam Zeit, sinniert er. "Was aber nicht heißt, dass ich mit
irgendwelchen exotischen Sportarten anfange. Viel mehr will ich wieder Musik
machen, die mir selbst etwas gibt und die nicht nur versucht, einem Image oder
einem vorformulierten Sound gerecht zu werden. Ich tue nur noch, was mir
gefällt."
Worunter Trent aber nicht nur 80s Pop versteht, sondern auch
wieder wütenden, grollenden lndustrial-Rock, in dem er gezielt mit seinem
früheren Ich, mit falschen Freunden und der Welt an sich abrechnet. Damit geht
er in diesen Tagen auf Tournee. Mit seiner neuen Band um Jeordie White (aka
Twiggy Ramirez), Alessandro Cortini, Jerome Dillori und Aaron North beackert er
zunächst amerikanische Clubs, dann europäische Festivals, später mittelgroße
deutsche Hallen "Wir lassen es ganz locker angehen', so Trent ‚Damit meine ich
ohne wilde Partys oder wüste Exzesse. Es geht einzig allein um die Musik und um
ca. 25 Stücke, an denen ich richtig Spaß habe. Schließlich will ich die Sache
überleben." Eine weise Entscheidung.