Auf WITH TEETH, das vierte NINE INCH NAILS-Studioalbum,
hat NIN-Mastermind TRENT REZNOR seine Fans lange warten lassen. Der
Multiinstrumentalist, Produzent und Pate des Industrial Rock musste zuerst
aufräumen, und wer NINs Intensität kennt, ahnt: Es ging ans Eingemachte. METAL
HAMMER traf einen schonungslos ehrlichen Trent in Los Angeles.
Als 2004 nach fünf Jahren relativer Funkstille (von Remixen
und Compilations mal abgesehen) Nachricht aus Trents Klanglabor kam, scharrte
die Gemeinde mit den Hufen. "Brutal und minimal" werde das neue Werk ausfallen,
orakelte Reznor und gab dem Baby vorab den Namen BLEEDTHROUGH. Der ist
mittlerweile in den Orkus gewandert, weil er zu sehr an Bilder aus der
Tampon-Werbung erinnert, und die angekündigte Grobheit muss man mit der Lupe
suchen. Was nicht heißt, dass es WITH TEETH an NIN-typischen Elementen mangelt:
Die emotionalen Berg- und Talfahrten, wütenden elektronischen Rock und
abgefahrene Sounds - alles da. Es beginnt mit dezenten Drum & Bass-Anleihen
auf Dub, endet mit einer bewegenden Klavierballade und ist zwischendrin voller
Überraschungen; allein die Selbstzerfleischung fehlt.
De profundis
Draußen am Sunset Boulevard hängen bereits die ersten Plakate
für das Album: schlichte Grafiken in Schwarzweiß, auf denen das Ninch Inch
Nails-Logo über Computer-Codes prangt. Die geheimnisvolle Flaschenpost von der
Festplatte wühlt sic dem Betrachter ins Unterbewusstsein und sagt smart: NIN
sind wieder da. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Smart und stylish ist auch das Interview-Hotel, aber für weiß
drapierten Räume und feuchten Träume der Innenarchitekten hat Trent Reznor
gerade kein Auge. Er rollt sich auf dem Sofa zusammen, schwarze Sneakers auf den
Kissen, schaut über Hollywood und wägt die Frage nach der Sendepause ab, deren
Beantwortung nicht leichter wird, nur weil sie in jedem Interview fällt. Fiese
Schreibblockaden und nagende Selbstzweifel sind ihm nicht neu (THE FRAGILE
kloppte er vor der Veröffentlichung 1999 mehrfach in die Tonne), doch diesmal
kam es härter.
"Als wir die FRAGILE-Tour Ende 2000 beendet hatten", so
Trent, "lag klar auf der Hand, dass ich suchtkrank war. Angefangen hatte es mit
der Trinkerei, und wenn irgendwo Koks zu kriegen war, sagte ich auch nicht nein.
Was wiederum zu noch mehr Suff und totaler Wahllosigkeit in Sachen Drogen
führte. Es wurde echt" - tiefer Einatmer - "schlimm, schlimm, schlimm. Ich
hasste mich, fand meine Musik total beschissen und sah in nicht mehr einen Sinn.
Zum Zeitpunkt war der Tod eine realistische Option. Ich musste offenbar erst an
diese Schwelle kommen, ehe ich begriff, dass ich gar nicht sterben wollte.
Wieder zu mir zu kommen, war ein Prozess von mehreren Jahren, zwischen der
Einsicht, dass mit mir was nicht stimmt und dem eigentlichen Angehen der
Probleme. Man wird verdammt gut darin, sich und andere zu bescheißen, wenn man
mit dem Rücken zur Wand steht", grübelt er, "Süchtig eben."
Dass das 2000er Remix-Album den Titel THINGS FALLING APART
trägt, wirkt im Rückblick ein bisschen makaber; andererseits bewegten sich Nine
Inch Nails seit jeher auf dem schmalen Grat zwischen Aus- und Zusammenbruch.
Trent verstand es wie nur wenige, seine düsteren Momente attraktiv in Szene zu
setzten: Er gab dem kalten Sound des Industrial ein menschliches Gesicht und
legte seine Finger genau dahin, wo's schön weh tat. Letzteres muss irgendwann zu
einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung geworden sein, bis der Exzentriker
2001 die Notbremse zog. Seine Umkehr war mühsam: "Ich wusste nicht, ob ich
nüchtern überhaupt noch kreativ sein konnte oder ob mein Gehirn durch die
Exzesse schon geschädigt war. Ich hatte furchtbare Angst, wieder Musik zu
schreiben. Rückschläge hätte ich zu der Zeit nicht verkraftet, also fing ich an,
besser mit mir umzugehen, in kleinen Schritten. Januar letzten Jahres bin ich
raus nach L.A. gezogen, habe mir ein Vierspur-Demostudio aufgebaut und gesagt:
Du schreibst jetzt jede Woche zwei Songs."
Diese Disziplin hat sich ausgezahlt: "Gegen Mai hatte ich
bereits an die 20 Lieder, die mir gefielen und auf eigenen Füßen stehen konnten
- besser jedenfalls als Stücke von THE FRAGILE oder DOWNWARD SPIRAL, die nur im
Zusammenhang einen Sinn ergaben." Aus dieser Zeit stammen auch die ersten
Lebenszeichen auf der bis dahin rätselhaften NIN-Website: Der Kontroll-Freak
ließ sich auf einmal im Studio über Schulter schauen - und gab seinen Jüngern
neben regelmäßigen Updates auch Anlass zur Verwunderung, als er andeutete, das
kommende Album werde weniger elektronisch und Songorientierter ausfallen.
Zwischen gestern und morgen
Nine Inch Nails und Songs? Drei Minuten zum Mitsingen mit
Strophe und Refrain? Nicht wirklich. Zwar wirkt WITH TEETH auf den ersten
Eindruck hin gefälliger als frühere Alben, und einige Tracks kommen tatsächlich
auf klassische Pop-Länge, doch hat Trent an seiner Beethoven-Dynamik
festgehalten: Die Stücke leben nach wie vor von der Spannung zwischen
laut/leise, industriell/organisch, wütend und sensibel. Dass sie nicht mehr so
wild oszillieren wie auf THE DOWNWARD SPIRAL oder THE FRAGILE, steht auf einem
anderen Blatt. "Das waren Alben, die zu großen Teilen im Studio geschrieben
wurden", erklärt Reznor. "Alle Musik begann damals mit einem
Hintergrundgeräusch, einer fixen Idee oder einem Gefühl. WITH TEETH bin ich von
einem anderen Winkel aus angegangen, indem ich mich zwang, mehr über Texte und
Song-Strukturen nachzudenken als über coole Sounds und Drumloops. Es ist eine
andere Arbeitsweise. Ich habe mehr denn je Gewicht auf Melodien gelegt. Das
könnte leicht als Schachzug in Richtung Vermarktbarkeit und Mainstream gewertet
werden, aber das ist es nicht. Und seinen wir ehrlich: Einen funktionierenden
Song zu schreiben, ist verflucht schwer", lacht er.
Stilistisch ist WITH TEETH zu weiten Teilen ein Trip durch
Reznors Achtziger-Plattensammlung: Man stelle sich die spröden Sounds von
Suicide, Killing Joke und Gary Numan vor, gepaart mit der Kompaktheit von PRETTY
HATE MACHINE, mit sägenden Gitarrenriffs, mächtigen Drums und einem Gesang der
manchmal so trocken ist, dass er krümelt. "Wenn du jetzt noch The Fall, Pere Ubu
und die frühen Public Image Ltd. In die Gleichung wirfst", schmunzelt Trent,
"dann bist du nah dran. Als mein Freund Atticus Ross (NIN-Kollaborateur und
Programmierer bei 12 Rounds und Error - Anm. d. A.) und ich die neuen Songs
aufgenommen und zusammengestellt haben, redeten wir oft über die Bands und ihre
unvergleichliche coole Haltung. Gefühlsmäßig sind das die Ecksteine, die wir
einbauen wollten - nicht als Rip Off, nur als Einfluss. Dass mich das Ganze an
PRETTY HATE MACHINE erinnert, hätte ich noch vor einem Jahr niemandem geglaubt,
sondern ´What the fuck, das ist ja furchtbar! ´gebrüllt" rauft sich Trent die
Haare.
"Aber das ist auch ein Zeichen dafür, dass ich bei dieser
Platte so viel Selbstvertrauen spürte wie lange nicht mehr. Jedes Mal, wenn mein
innerer Zensor zu mäkeln anfing, dieses oder jenes sein nicht Nine Inch Nails,
zwang ich mich, es wenigstens zu versuchen - wegwerfen kann man immer noch." Auf
diese Weise haben drei Stücke ihren Weg auf WITH TEETH gefunden, die Reznor sich
sonst verkniffen hätte: das dramatisch zweigeteilte ´Only´, dann ´Sunspots´, das
sich von einem heiseren Flüstern in einen Staubsauger verwandelt, und die erste
Single-Auskopplung ´The Hand That Feeds´, ein radiotauglicheres Selbstzitat von
`Head Like A Hole´- und damit ein Rückgriff auf 1989. "Bei der Nummer sagte mein
Kopf, dass das Stück nicht besonders clever sei, aber ich habe dabei meinem
Bauchgefühl vertraut." Sein Instinkt mag recht behalten: Die Single ist für alte
NIN-Hasen vermutlich unaufregend, eignet sich jedoch bestens als Einstieg für
die Post-FRAGILE-Generation.
Truppenbewegungen
Nicht, dass sich Trent in die Song-Auswahl hineinreden ließe.
Darüber hinaus eilt dem kreativenverantwortlichen der Ruf vorweg, seine
musikalischen Komparsen im Drehtürverfahren auszutauschen. WITH TEETH wurde wie
alle NIN-Alben fast solo eingespielt, im Wechsel zwischen Reznors Studios in
L.A. und New Orleans. Für die fleischigen Drumparts ging es nach Van Nuys, denn
Dave Grohl schwört seit Nirvana-Tagen auf das dortige Sound City-Studio. Dave
Grohl? Richtig gelesen, der begehrteste Gastschlagzeuger des rock ist nach
Engagements bei Queens Of The Stone Age und Killing Joke nun auch auf der neuen
NIN zu hören. Er teilt sich den Schemel mit Jerome Dillon, dem einzigen
Überlebenden der ´Fragility´-Tourbesetzung. Zur Endabmischung gesellte sich im
Herbst 2004 dann noch der englische Produzent Alan Moulder, ein alter Bekannter
aus DOWNWARD SPIRAL- und FRAGILE-Zeiten, "und das war's eigentlich", so Reznor.
"Früher fühlte sich die Arbeit an einer NIN-Scheibe oft wie das Ziehen von
Zähnen an, aber diese Platte hat sich nicht gewehrt. In der Umsetzung war ich
nie schneller."
Was sicherlich ein Nebeneffekt seiner Renovierungsarbeiten
ist, denn er warf auch personellen Ballast über Bord. "Die Band kam mir 2000
aufgebläht vor", erklärt er den Abschied von Gitarrist Robin Finck, Bassist
Danny Lohner sowie Keyborder Charlie Clouser, und auch das Allstar-Projekt
Tapeworm wurde endgültig ad acta gelegt, ohne je zu Potte gekommen zu sein.
Besonder dramatisch verlief die Trennung von seinem langjährigen Manager John
Malm: "In dem Nebel, in dem ich ständig war, habe ich nicht gerafft, was sich
hinter meinem Rücken an vertragsrechtlichen und finanziellen Schweinereien alles
abspielte." Malm und ein Buchhalter sollen ihm NIN-Tantiemen und Gelder aus den
Rechten an Reznors 2004 abgewickeltem Nothing-Label vorenthalten haben - kein
Klacks, zumal davon auch Veröffentlichungen von Trents früherem Protegé Marilyn
Manson betroffen sind. Der Schaden, so heißt es, beläuft sich auf über drei
Millionen Dollar.
Mit dem Bild vom armen reichen Trent, der in seinem
viktorianischen Prachthaus in New Orleans (einem ehemaligen
Bestattungsunternehmen - passt ja) mit dem Kopf auf der Tischkante liegt und
sich anekelt, hat er aufgeräumt: "Als ich nach L.A. kam, habe ich verstanden,
dass ich New Orleans als Versteck gewählt hatte. Es war ideal, um vor Dingen
wegzulaufen, die mich einschüchterten, vor Menschen und Situationen. Außerdem",
grinst er süßlich sauer, " ist New Orleans der beste Ort, um sich zu
besaufen."
Im Anti-Luftkurort fand er neue Spielgefährten: Bassist
Jeordie White (alias Twiggy Ramirez, der sich nach der Scheidung von Manson gern
mit QOTSA und A Perfect Circle rumtreibt) und Aaron North, zuvor Gitarrist bei
The Icarus Line. "Ich hatte vergessen, wie ätzend es ist, passende Musiker zu
suchen", sagt Reznor. "Als Aaron zum Vorspielen kam, dachte ich nur, was ist das
denn für ein Clown? Dabei mochte ich Icarus Line. Ich hatte nur Bedenken, weil…"
Aaron öfter mal von der Bühne fällt? Dort lag er zumindest während ihrer letzten
Deutschland-Tour. Trent lacht: "Yeah, genau! Deshalb habe ich mich zuerst gegen
ihn gesträubt. Aber kaum fing er an zu spielen, wusste ich: der oder keiner! Ich
habe die Live Band mit Blick auf dieses Album zusammengestellt; sie waren ab dem
Mixing an Bord, uns sie klingen verdammt hungrig.! Außerdem sollen Jeordie,
Aaron, Jerome und Keyboarder Allessandro Cortini am bereits zur Hälfte
geschriebenen Nachfolger von WITH TEETH aktiver beteiligt werden - was für Nine
Inch Nails ein geradezu revolutionärer Schritt in Richtung Band-Demokratie
wäre.
Steuerung + Alt + Entfernen
Die Nine Inch Nails Live-Exzesse sind berüchtigt und endeten
oft in Schlammschlachten und Stromschlägen. Für die ausverkauften US- und
UK-Gigs plant Trent jedoch etwas anderes: "Vor allem will ich nicht der kaputte
Typ von vor fünf Jahren sein, der sich selbst nur spielt", überlegt er laut.
"Wir werden hauptsächlich neues Material und nur die relevantesten der alten
Stücke mitnehmen. Wenn ich auf die Setliste gucke, ist da kein Track mehr, bei
dem ich würgen muss, und im Vergleich zu früher ist das eine echte
Errungenschaft. Wir machen das nicht, um die Leute zu nerven - ´Hey, wir sind
cool, und deshalb jetzt noch ein Stück, das ihr weder kennt noch hören wollt!´ -
, sondern um nicht zur Selbstparodie zu verkommen."
Dass viele Fans immer noch eine Selbstzerstörungsmaschine
erwarten die sich an den Mauern der Gesellschaft den Kopf einrennt, ist eine
Erblast des US-Industrials der alten Schule, unter der die "neuen" Nine Inch
Nails genau so laborieren wie Skinny Puppy, Minstry und Marilyn Manson. Den
Ausdruck von Anarchie und sexueller Abweichung, für den sie noch Mitte der
Neunziger standen, hat ihnen die Unterhaltungsindustrie unter dem Arsch
weggekauft und ausgerechnet ´Hurt´, Trents Borderline-Schwanengesang von THE
DOWNWARD SPIRAL, ist dank Rick Rubin und Johnny Cash zum kleinsten gemeinsamen
Nenner zwischen Rednecks, christlichen Fundis und NIN-Fans geworden. Seltsame
Zeiten.
Entsprechend stecken die aktuellen Texte voller Zweifel: WITH
TEETH handelt vom Aufwachen an einem Ort, an dem ihr Erzähler nicht mehr sein
möchte, weder mental noch körperlich. Das ursprünglich gedachte Albumkonzept vom
"Durchsickern der Wirklichkeit" (daher der erste Titel BLEEDTHROUGH), verwarf
Reznor, als sich sein neues Studioregime zu bewähren begann. Wie von Nine Inch
Nails gewohnt, sind die Lyrics zentral und persönlich: WITH TEETH bietet
Einblicke in Reznors melancholische Psyche und rechnet mit der amerikanischen
Gegenwart ab: "Für eine Autowerbung werden sie die Songs jedenfalls nicht
benutzen können", schnaubt Trent mit Blick aus dem Fenster, wo gerade der
Mittagsstau vorbeikriecht. "Sorry, by the way", hebt er plötzlich hilflos die
Hände: "Ich fühle mich immer wieder verpflichtet, mich bei euch für unsere
Regierung zu entschuldigen. Die Republikaner und ihre Medien sind gut darin, den
Idiotenherden das Gehirn zu waschen: ´Du willst keine schulen Nachbarn, und lobe
den Herrn? Wähle Georgen Bush!´ Ganz simpel, das funktioniert garantiert. Es ist
eine unschöne und peinliche Zeit, in der wir leben."
Gehen Sie über Los, Herr Reznor
Der Seiltanz, in einer solchen Atmosphäre künstlerische
Integrität zu bewahren, während überall die Kommerzialisierung tobt und die
Musikindustrie ihre kritische Masse erreicht hat, ist auch Trent Reznor schwerer
geworden. 1999 blieben die Verkaufszahlen von THE FRAGILE deutlich hinter den
Erwartungen zurück - wo positionieren sich Nine Inch Nails in der neuen
Medienwelt von 2005? "Interessante Frage, besonders angesichts unseres eher
sporadischen Auftauchens und der langen Pausen. Mich gruselt es immer ein
bisschen, wenn neue Bands Nine Inch Nails unter ihren Einflüssen aufzählen.
Heißt das, wir sind keine direkten Mitbewerber mehr, sondern scheintote
´Klassiker´? Da regt sich sofort meine Paranoia. Im Allgemeinen halte ich das
musikalische Klima seit Jahren für armselig und deprimierend. Die
Schwierigkeiten der Plattenindustrie sind hausgemacht; sie hat sämtliche
Entwicklungen verpennt und für CDs überzogene Preise verlangt. Nun landet die
Musik im Internet. Die Industrie schäumt, und teilweise verstehe ich ihre
Sorge", räumt der ehemalige Label-Boss ein - schließlich sind trotz oberster
Geheimhaltungsstufe zwei neue NIN-Songs illegal im Netz aufgetaucht. Und von
US-Radios bereits gespielt worden.
"Das Problem ist durch globale Gier und die
Label-Verschmelzungen komplexer geworden: Statt vieler Labels mit ein paar Bands
gibt es jetzt wenige Firmen mit vielen Bands, und neue Künstler werden nur noch
gesignt, wenn sie wie Acts klingen, die schon erfolgreich sind. Und blablabla,
stopp mich bitte", unterbricht er sich seufzend. "Ich könnte Stunden darüber
reden, aber am Ende beißt sich alles in den Schwanz. Was habe ich dieser
Entwicklung entgegenzusetzen? Nicht viel - außer Musik, von der ich denke, dass
sie nicht wie pasteurisierte Milch klingt und Bestand hat. Natürlich könnte WITH
TEETH kommerziell auch komplett scheitern. Das würde mich jedoch nicht wirklich
was ausmachen, denn zum ersten Mal in meinem Leben kann ich sagen: Mir ist wohl
in meiner Haut, und nicht alles dreht sich um Nine Inch Nails.
Für kommende Paradigmenwechsel ist er demnach bestens
gerüstet, aber als METAL HAMMER Trents bevorstehenden 40. Geburtstag am 17. Mai
anspricht, verschluckt sich das dunkle Sexsymbol dann doch: "Danke, dass du mich
daran erinnerst", hustet er. Nicht, dass ihn die Vier und die Null in eine
Daseinskrise stürzen - aus der kommt er ja erst. Trotzdem stimmt das Datum
nachdenklich: "Ich muss unterwegs ein paar Jahre verloren haben, Zeit, dich ich
nicht auf Erden war. Mit mehr Selbstmitleid könnte ich das auf meine
Suchtkrankheit schieben, doch das ist lahm. Diese Erfahrungen sind nicht
rückgängig zu machen, wer weiß, vielleicht waren sie notwendig, damit ich an den
heutigen Punkt gelange. WITH TEETH zeigt NIN als ein Wesen, das sich in seiner
Zeit zu verändern weiß, und dieses Fazit lässt Trent aufstrahlen: "Schnell, lass
dir auf den Satz Copyright geben - sonst nehme ich ihn!"
Melanie Aschenbrenner