Mit „Year Zero“ entwirft Trent Reznor ein Szenario in bester „1984‘- Manier:
die Welt vor dem Klimakollaps, regiert von einem totalitären Regime, das
Menschen manipuliert und unterdrückt. Ein Stoff, der gar nicht so fiktiv ist...
Sondern, so die 41-jährige
One-Man-Band, längst real: „In den USA herrscht ein gravierender Mangel an
Weitsicht, Offenheit und Toleranz, gekoppelt mit Arroganz, blindem Hass und
einer gefährlichen Verbindung aus Wirtschaft, Staat und Religion. Also dachte
ich mir: Wie bringe ich Nine Inch Nails dazu, das auf eine Art und Weise zu
kommentieren, die nicht peinlich ist? Die Lösung: Er entwickelt eine
beklemmende Endzeitvision, die nicht mal der stumpfsinnigste Hörer ignorieren
kann. Ein orwellscher Hirnfick, in dem die ultrakonservativen USA die Weltherrschaft
an sich gerissen haben, verfeindete Nationen atomisieren und die Menschheit per
Drogen und Staatskirche gefügig machen. Zudem ist der Grad der Umweltzerstörung
so weit fortgeschritten, dass es keine Rettung mehr gibt. 2022 ist Schluss - in
gerade mal 15 Jahren. „Das Ganze durfte nicht zu Sci-Fi-mäßig sein“, erklärt
Reznor, „Es sollte real wirken. Also näher, als du hoffen würdest. Und wenn ich
mir anschaue. wie weit Amerika in den letzten sechs Jahren unter Bush gekommen
ist, scheint das gar nicht so abwegig. Ich meine, wir haben zwei andere Länder
aus radiert, der Regierung völlige Kontrolle übertragen, fast alle Ölvorkommen
aufgebraucht und eine völlige demokratische Lethargie entwickelt. Deshalb ist
das Ende, wenn wir so weiter machen, wirklich nicht fern.“
Eine Botschaft, die er dem
Konsumenten jedoch nicht einfach vor den Latz knallt, sondern in Form einer
multimedialen Schnitzeljagd nahe bringt: angefangen bei USB-Sticks mit
Songfragmenten, die er auf der jüngsten Tour verteilte, über ominöse Homepages,
Telefonnummern und Morsezeichen. Der Fan entdeckt Musik und Handlung aktiv,
indem er sich damit befasst. „Sich einfach nur Musik anzuhören oder einen Film
anzusehen, ist etwas sehr Passives. Aber Dinge für sich selbst zu entdecken,
mit anderen darüber zu diskutieren und wilde Theorien aufzustellen, das macht
die Geschichte erst real. Ich meine, klar weißt du. dass das Ganze fiktiv ist,
aber du kannst daran teilnehmen wie an einem großen, globalen Computerspiel,
das von Tausenden von Menschen gleichzeitig gespielt wird. Das finde ich
spannend."
Wobei Reznors Anspruch und
Idealismus so weit geht, sein Label komplett außen vor zu lassen, Er hat „Year
Zero“ selbst finanziert, produziert und eingespielt, Artwork und Video im Alleingang
entworfen und ein fertiges Album abgeliefert, an dem es keine Änderungen mehr
geben kann, Und das - fast noch wichtiger - nicht Gegenstand einer cleveren
Marketingkampagne ist. „Momentan gibt es nur Schrott, der dir mit viel Aufwand
als etwas Tolles verkauft wird. Etwa: ’Avril Lavigne hat ein neues Album. Lad
dir den Klingelton runter und erhalte einen geheimen Bonus-Track. Und
blahblahblah.‘ Ich meine: Wen interessiert das? Das ist nichts anderes, als
wenn man dir Gratisporno verspricht - und dann nach deiner Kreditkarte fragt,
Das ist alles Augenwischerei. Deshalb wollte ich etwas Künstlerisches. Etwas,
das existiert, weil es existieren muss. Und bei dem dir nicht wer-weiß-was versprochen
wird, damit du es kaufst.“ Davon soll es in naher Zukunft noch einen zweiten
Teil mit anschließen der, konzeptioneller Live-Darbietung geben, „Einfach, weil
es mehr ist als nur ein ganz gewöhnliches Album — es verlangt nach größeren Ausdrucksformen.“
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