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Jahr 2007

 

Zillo

  

 April 2007

 

 

Studioreport:

Zurück auf Null

 

Autor: Carsten Wohlfeld

 

Goldene Zeiten für Nine-Inch-Nails-Anhänger: Erst Ende Februar erschien mit der DVD „Live: Beside You In Time“ das aufwändig in Szene gesetzte Dokument der „Live: With Teeth 2006 Tour“, Mitte März startete die ausführlichste Deutschland-Gastspielreise von Trent Reznor und den Seinen seit Menschengedenken, und am 13. April steht dann bereits das nächste reguläre Studioalbum „Year Zero“ in den Plattenläden.

Zuvor jedoch meldete sich der NIN-Frontman via Internet zu Wort, um Fans und Medien auf das kommende Werk einzuschwören: „ Das Album begann als Krach-Experiment auf einem Laptop, als wir im Bus irgendwo auf Tournee unterwegs waren. Der Sound führte mich zu einem Tagtraum über das Ende der Welt. Dieser Tagtraum blieb mir im Gedächtnis und entpuppte sich mit der Zeit als etwas viel Größeres. Ich glaube daran, dass man manchmal die Wahl hat, welchen Inspirationsquellen man folgt, aber dass das nicht immer der Fall ist. Bei dieser Platte war es Letzteres. Als ich mich wirklich in die Arbeit stürzte, passierte alles praktisch von alleine.“ So entwickelten sich Ideen für gleich zwei Platten, von denen die erste, das mit 16 Tracks und weit über einer Stunde Spielzeit vollgepackte Konzeptalbum „Year Zero‘, all diejenigen begeistern sollte, denen das 2005er Vorgängerwerk „With Teeth zu poppig, zu wenig extrem, nicht gewagt genug war. Zillo war eingeladen, das neue Album bereits vorab zu hören.

Gleich der erste Track „Hyperpower!“, eigentlich nicht viel mehr als ein Intro, kommt beim ersten Hören erfrischender, krachiger und druckvoller daher als das komplette letzte Album! Die nächste Nummer „The Beginning Of The End“, ist dagegen eines der wenigen Stücke, die auch problemlos auf dem Vorgänger Platz gefunden hätten, unterstreicht es doch die rockige, eingängige Seite der NIN. Ganz anders dagegen die erste Single „Survivalism“, die düster und elektronisch daran erinnert, dass dies keine Bandplatte ist, sondern ein Werk, das Reznor im Alleingang geschrieben und eingespielt hat. Lediglich beim Programming stand ihm Atticus Ross zur Seite, der einst seine ersten Meriten bei Bomb The Bass verdiente und auch schon an With Teeth mitarbeitete. Mit „Me, Im Not“ schaltet Reznor zwar tempomäßig einen Gang zurück, doch der schleppende Beat, das elektronische Soundgeflicker und die fast wie eingeworfen klingenden Textfetzen Reznors haben dennoch eine Bedrohlichkeit, die dem letzten Album so oft fehlte. Das Herzstück des Albums allerdings sind die beiden treffenderweise auch in der Mitte der Platte platzierten Tracks „The Warning“ und “My Violent Heart“, von denen vor allem letzteres mit einem fast an frühe Public Enemy erinnernden HipHop-Flair aufwarten kann und ob des zerstörerischen Soundgewitters, das über den schwer groovenden Beats liegt, trotzdem eine ungemein typische NIN-Nummer ist. Dass Reznor selbst die neuen Songs als „Soundcollagen“ beschreibt und davon spricht, dass bei den Aufnahmen viel improvisiert wurde, wird hier deutlicher als bei allen anderen Stücken. Erst gegen Ende dieses intensiven Klang-Trips gönnt das NIN Mastermind dann den Ohren seines Publikums eine echte Entspannungspause wenn das sanfte Piano bei „In This Twilight“ einsetzt und den Songtitel perfekt vertont.

Mit anderen Worten: Wer befürchtet hatte, dass die vor einigen Wochen losgetretene Web-Schnitzeljagd — ein Musterbeispiel für das, was auf Neudeutsch „virales Marketing“ heißt — nur dazu dienen sollte, vom Inhalt des kommenden Albums abzulenken kann beruhigt sein. „Year Zero“ ist trotz der für Reznors Verhältnisse relativ kurzen Produktionsphase alles andere als ein schwer verdaulicher Schnellschuss. Im Gegenteil. In vielerlei Hinsicht hat die Platte mehr Substanz als „With Teeth“, nicht nur ob des konzeptionellen Rahmens. „Worum geht es?“, fragt Reznor rhetorisch in seiner Online Nachricht um dann auszuführen. „Die Ereignisse des Albums finden in der Zukunft, in 15 Jahren, statt. Die Dinge stehen schlecht. Die Welt hat einen Scheidepunkt erreicht — politisch, spirituell und ökologisch. Geschrieben aus der Sicht verschiedener Menschen, die in dieser Welt leben, untersucht ‚Year Zero‘ unterschiedliche Perspektiven und setzt ihnen einen nahenden Moment der Wahrheit entgegen.“

Klingt nach einer harten Nuss, die Reznor seinem Publikum zu knacken gibt. Aber das Album kann auch ohne den ganzen Ballast funktionieren, wie er — scherzhaft? — zugibt: „Man kann zu vielen Stücken tanzen. Man kann auch zu vielen Stücken vögeln. Vielleicht sogar zu allen, kommt ganz darauf an, worauf man steht!“

Carsten Wohlfeld

Foto © Chapman Baehler

www nin com

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