*** 1/2
Nine Inch
Nails
Year Zero
Vielstimmige
Monotonie mit etwas simpler Endzeit-Vision
Trent Reznor wurde immer für
seine Cleverness gelobt, wenn es um die Schnitzeljagd- Kampagne für diese
Platte ging, um die angeblich in Konzert-Klos ausgelegten Daten-Sticks, die in
T-Shirt-Aufschriften versteckten Botschaften, die Codenummern und
Rahmenhandlungen. Aber erstens hält ihn keiner für so clever, dass vielleicht
auch diese News alle nur erfunden waren, und zweitens glauben höchstens die
Fans (die durch ihr Nerdtum den ganzen Gag erst möglich gemacht hatten), es
könne Reznor nicht bloß um Werbung, sondern auch um Kunst gegangen sein.
So naiv sind wir zur Abwechslung
gern: Das Toben und die Ängste, die er früher als selbst erlittene Dämonenplage
beschrieb, nun zu einer virtuellen Realität auszubauen, die bis zur
Präsidentenwahl laufend aktualisiert wird - die Idee ist so logisch wie
künstlerisch notwendig. Und mit den Webseiten kann man Stunden verbringen,
falls man grad keine wichtigen Games zu spielen hat.
Ein rares Beispiel übrigens für
einen Musiker, der ein solches Projekt entwirft, ohne selbst in irgendeiner
neuen Verkleidung durchs Bild zu hüpfen. Trent Reznor ist bei „Year Zero“ nur
in der Musik präsent, schon viel gelobt, völlig zurecht, vor allem für die
Stellen, die an Digital-Terror-Schrottismus alles überragen, was man bei Nine
Inch Nails je gehört hat. Auch wenn er als Rocker gilt: Elektronikproduzenten
aller Erdteile können sich die Nase daran platt drücken, wie hier aus Sägen,
Saugen, Zirpen und Flackern unglaubliche Beatboxen zusammengenagelt werden, wie
behutsam Reznor mit Federn wie mit Ambossen spielt und wie die Gitarren als
muntere Würmer in toten Robotern nach Eingeweiden wuseln. Die Poppigkeiten sind
misstrauischer als bei der letzten Platte, die Monotonie ist so vielstimmig wie
das bronchiale Husten einer neunköpfigen Katze. Und am Ende kommen wieder
Balladen.
Die schlagfertige Stärke von
Reznors frühen Songwriter-Tagen findet man trotzdem nur in einigen Stücken,
nicht durchgehend. Und die nähere Beschäftigung zeigt leider, dass Reznor für
ein Science-Fiction-Polit-Epos dieser Tragweite eben doch als Dichter zu
schlecht ist. In seiner Endzeit-Vision voller Fundamentalismus und Zensur kann
man sich sogar von einer imaginären Behörde eine Mail schicken lassen, man sei
ein anti-amerikanisches Element. Fehlt eigentlich bloß noch der Klassiker von
den Drogen, die die Regierung dem Volk ins Trinkwasser kippt.
Obwohl: Auch dazu gibt es einen
Weblink.
(UNIVERSAL)
JOACHIM HENTSCHEL
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