Nine Inch Nails/Die Krupps
Düsseldorf, Tor 3
Es war die einzige
Ruhrgebietsshow der Nine Inch Nails im Rahmen ihrer Mini-Deutschland-Tour, und
da man mit den Krupps noch eine Support-Band ausgesucht hatte, die momentan in
aller Munde/Ohren ist und in Düsseldorf zudem einen Lokalbonus genießt, war es
fast logisch, dass etwa 1.000 Zuschauer den Weg ins Tor 3 fanden. Schön für die
Bands, schlecht für die Leute, die nicht unbedingt 1,80 Meter groß sind und –
wenn ihnen die Sicht nicht eh durch irgendwelche Betonpfeiler versperrt ist –
meist nur den Hinterkopf des Vordermanns zu Gesicht bekommen. Ein anderer
Kritikpunkt am Tor 3 ist die schon sprichwörtliche schlechte Akustik des
Betonbunkers, mit der auch die KRUPPS
anfangs zu kämpfen hatten:
Gitarren und Gesang zu leise, ein
Schlagzeug, das während der ersten Nummern alles zubollert – da spricht es für
die Band und ihren Soundman, dass man diese Probleme mit zunehmender Spielzeit
besser in den Griff bekam und die Show doch noch als Erfolg verbuchen konnten.
Da wir die Konzerte des Quintetts in letzter Zeit mehrfach reviewt haben und
die Setlist nichts umwerfend Neues bot, geht das Schlusswort an Herrn
Stratmann, der den Krupps „internationale Klasse“ und die Chance zum „Durchbruch
auf breiter Ebene“ attestierte. Wohlgesprochen, Holg.
Doch trotz der gelungen
Krupps-Show – gekommen waren die Anwesenden an diesem Tag vor allem wegen Nine Inch Nails. Oder besser: wegen
Frontman und Mastermind Trent Reznor. Der hat sich aufgrund seiner
sagenumwobenen (weil seltenen und exzessiven) Liveshows und seiner
musikalischen Unberechenbarkeit längst zur Underground-Kultfigur gemausert und
sollte diesen Ruf auch in Düsseldorf problemlos bestätigen.
Nach einer endlos langen
Umbaupause ertönte minutenlang ein beklemmendes Intro, die Band war lediglich
von hinten angestrahlt schemenhaft durch den Bühnenvorhang zu erkennen, ehe der
Opener des aktuellen „The Downward Spiral“- Albums, ´Mr. Self Destruct’, den
Startschuß zu einem in allen Bereichen perfekten Konzert gab. Eine Band, deren
Mitglieder vom Outfit her problemlos in einem „Mad Max“-Streifen auftreten
könnten, eine Lichtanlage, die keine Wünsche offenließ, reichlich Trockeneisnebel
und ein Drumriser, der an einen abbruchreifen Holzschuppen erinnerte – da
wundert es nicht, dass die Produktionskosten jeden Abend(!) einige 10.000
Dollar verschlungen haben sollen. Und mittendrin Trent Reznor, auf den sich von
Anfang an alle Augen richteten.
Der Mann hat Ausstrahlung,
erinnert nicht zuletzt aufgrund seiner ellenbogenlangen Lederhandschuhe an
Perry Farrell, den exzentrischen Sänger von Jane’s Addiction und Porno For
Pyros. Inmitten der chaotischen und Endzeit-Atmosphäre versprühenden
Bühnenlandschaft bewegt er sich meist hyperaggressiv und prügelt unvermutet auf
seine Musiker ein, ehe er bei balladesken Nummern – lediglich von einem
einsamen Schweinwerfer im Profil angestrahlt -
den Eindruck eines Suizidverdächtigen erweckt. Reznor wirkt so, als habe
der die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn längst überschritten, versteht es
meisterhaft mit der Erwartungshaltung des Publikums, das gebannt auf den
nächsten Eklat wartet, zu spielen.
Apropos spielen: Neben einer
Show, die phasenweise mehr einer Theaterinszenierung denn einem Konzert glich,
gab es natürlich noch exzellentes Songmaterial zu hören, wobei die
Interpretation des Queen-Klassikers `Get Down, Make Love’ besondere Beachtung
verdient. Beeindruckend, daß die Tracks der aktuellen Scheibe live um einiges
brutaler als in der Studioversion kommen; faszinierend - und vor allem bei den Stücken des Nine Inch
Nails-Debüts „Pretty Hate Machine“ zu
erkennen -, wie die Band (Reznor?) es immer wieder schafft, Parts, die von der
Melodieführung her manchmal an alte Depeche Mode-Sachen erinnern, mit knallharten
Industrial-Riffs zu kombinieren. Von diesen musikalischen Kontrasten und Reznor
Schizophrenie leben die Nine Inch Nails, soviel wurde an diesem Abend in
Düsseldorf klar.
Als die Band die Bühne ohne eine
einzige Zugabe verließ und das Publikum wie benommen weiterstarrte, stellte
sich zwangsläufig die Frage, ob das eben Gesehene Realität oder Fiktion war. Es
war real – aber so brillant inszeniert wie bei noch keiner anderen Band zuvor.
Ein größeres Kompliment gibt es wohl nicht…
Thomas Kupfer
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