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Juli/August 2005

 

Nine Inch Nails

London Astoria, 31.3.05

 

Autor: Marco Meirich

 

 

 

Der Leidensdruck war für die Fans der US-amerikanischen Band um TRENT REZNOR erwartungsgemäß groß. Vier Jahre hat man ihn mit seinen NINE INCH NAILS nicht mehr auf europäischen Bühnen erleben können. Auf neues Material ließ sich lange qualvoll warten und als JOHNNY CASH im Jahre 2002 einen von Trents ultimativen Aushängeschildern „Hurt“ neu Interpretierte war es spätestens Zeit, den Fans zu zeigen, dass TRENT REZNOR noch am Leben ist. Ende März 2005 war es dann endlich soweit. Mit etwas mehr als ein paar Klavierstunden und ein paar Jahren Erfahrung als Handlanger in einem Studio fabriziert der damals 23 jährige REZNOR 1989 ein Album, welches einen Meilenstein in der populären Musikgeschichte setzte und heute noch in vielen CD-Spielern und Diskotheken rauf und runter läuft. Die ‚Pretty Hate Machine“ verbrachte mit Klassikern wie „Sin“ oder „Head Like A Hole“ beträchtliche zwei Jahre in den Billboard-Charts und versetzte ganze Volksstämme in psychotischen Fanatismus, der kein Vorbild hatte. REZNORs Sinn für Qualität zeigt sich auch in der eher lahmenden Folge von Veröffentlichungen, denn das am 2. Mai 2005 erschienene Album „With Teeth“ ist erst das dritte Studio-Album in den sechzehn Jahren seit seinem Debüt. In London konnten wir uns im März dieses Jahres noch vor dem offiziellen CD-Release von den neuen Songs überzeugen.

Für Fans der NINE INCH NAILS scheint Zeit keine Rolle zu spielen, denn wie viele sich auf ein Lebenszeichen des Amerikaners freuten, konnte man sicher auch an der Zeit ablesen, in der die Tickets für die zwei exklusiven Live-Gigs im Londoner Astoria ausverkauft waren. Jenen, die der Band auch in deren Abstinenz die Stange gehalten hatte, räumte TRENT über seinen Newsletter eine Vorkaufsoption auf die Eintrittskarten ein. Alle Karten waren binnen  zwanzig Minuten vergriffen und das alte Londoner Astoria Theater binnen Minuten aus Sicht der Fans zu einem denkwürdigen Ort in London geworden. Aufgeheizt von den ebenfalls US-amerikanischen DRESDEN DOLLS, die durch ihre charismatische und absolut faszinierende Darbietung den ersten Höhepunkt des Abends manifestierten, brannten die Fans förmlich darauf die ersten Tone des bereit gestellten elektronischen Pianos zu vernehmen. Je näher dieser Zeitpunkt rückte, desto näher drängten die 1800 Menschen in Richtung Bühne, so dass schnell klar wurde, dass der Wunsch nach Springen und Tanzen ein jähes Ende finden würde. Ganze vier LKW-Ladungen waren nötig, die aufwendige Lichtanlage zu transportieren, deren Installation erst kurz vor der Show vollendet war. Die Vorfreude war groß und die Euphorie unbeschreiblich, als pünktlich die ersten allzu bekannten Melodien aus den Lautsprechern drängten. Eine Mixtur aus „The Frail“ und „The Wretched“ vom Album „The Fragile“  stimmten den Saal auf die kommenden achtzehn Songs ein. Bauchkribbeln dürfte sich bei vielen breit gemacht haben, als sie TRENT am Piano erspähten. Dem nihilistischem REZNOR alter Tag, der wie kein anderer Sätze wie „Don‘t think you’re having all the fun / You know me - I hate everyone“ verkörperte, ist einem in weißes Licht gehüllten, gesunden, freundlich und gut trainiert wirkenden TRENT gewichen. Das Publikum genoss die instrumentale Eröffnung des Abends und stimmte mit euphorischem Gesang ein, als TRENT und seine Mannen von der Bühne spieen “You Know What You Are“! Beschimpfungen des Publikums und der Bandkollegen gehören der Geschichte an. Vielmehr genießt TRENT die Musik seiner Band, die heute nur noch einen Musiker der ursprünglichen Live-Formation enthält; den gewandten und energetischen Schlagzeuger JEROME DILLON. Nach so langer Bühnenabstinenz würde man den NINE INCH NAILS sicher verzeihen, wenn sie etwas eingerostet wären, doch faktisch fegen sie so scharf über die Bühne, wie die neuen Songs rocken. Vielleicht inspiriert vom neuen Tour-Line-Up, das unter anderen von AARON NORTH unterstützt wird, der bei ICARUS die Saiten bearbeitete und auf dem NINE INCH NAILS Konzert in London seine Zeit damit verbrachte, sich und sein Instrument herumzuwerfen, verwischte TRENT mit Tracks wie „Wish“, „March Of The Pigs“ oder  „Closer“ die Tatsache, dass er in diesem Jahr bereits die vierzigste Kerze auf seiner Geburtstagstorte anzündete. Mehr als ein dutzend Songs des neuen Albums „With Teeth“ stellte Trent dem erwartungsvollen Publikum vor, das es nicht kannte und dennoch das Astoria Theater zum Beben brachte. Überrascht und ein bisschen erstaunt horchte man auf, als sich REZNOR mehr als einmal bei den Fans für deren phonetischen Beifall bedankte.

Für die Chance die NINE INCH NAILS auf einem solchen fast intimen Konzert erlebt zu haben, kann man sich nur bedanken und sicher sein, dass bei vielen ein bleibender Eindruck hinterlassen wurde. Allen anderen, die diese Möglichkeit noch auf zahlreichen Festivals erhalten, sei gesagt, dass es ein toller, energetischer und unvergessener Abend werden wird.

Bericht: Marco Meirich

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