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Der Leidensdruck war für die Fans
der US-amerikanischen Band um TRENT REZNOR erwartungsgemäß groß. Vier Jahre hat
man ihn mit seinen NINE INCH NAILS nicht mehr auf europäischen Bühnen erleben
können. Auf neues Material ließ sich lange qualvoll warten und als JOHNNY CASH
im Jahre 2002 einen von Trents ultimativen Aushängeschildern „Hurt“ neu
Interpretierte war es spätestens Zeit, den Fans zu zeigen, dass TRENT REZNOR noch
am Leben ist. Ende März 2005 war es dann endlich soweit. Mit etwas mehr als ein
paar Klavierstunden und ein paar Jahren Erfahrung als Handlanger in einem
Studio fabriziert der damals 23 jährige REZNOR 1989 ein Album, welches einen
Meilenstein in der populären Musikgeschichte setzte und heute noch in vielen
CD-Spielern und Diskotheken rauf und runter läuft. Die ‚Pretty Hate Machine“
verbrachte mit Klassikern wie „Sin“ oder „Head Like A Hole“ beträchtliche zwei
Jahre in den Billboard-Charts und versetzte ganze Volksstämme in psychotischen
Fanatismus, der kein Vorbild hatte. REZNORs Sinn für Qualität zeigt sich auch
in der eher lahmenden Folge von Veröffentlichungen, denn das am 2. Mai 2005
erschienene Album „With Teeth“ ist erst das dritte Studio-Album in den sechzehn
Jahren seit seinem Debüt. In London konnten wir uns im März dieses Jahres noch
vor dem offiziellen CD-Release von den neuen Songs überzeugen.
Für Fans der NINE INCH NAILS
scheint Zeit keine Rolle zu spielen, denn wie viele sich auf ein Lebenszeichen
des Amerikaners freuten, konnte man sicher auch an der Zeit ablesen, in der die
Tickets für die zwei exklusiven Live-Gigs im Londoner Astoria ausverkauft
waren. Jenen, die der Band auch in deren Abstinenz die Stange gehalten hatte,
räumte TRENT über seinen Newsletter eine Vorkaufsoption auf die Eintrittskarten
ein. Alle Karten waren binnen zwanzig
Minuten vergriffen und das alte Londoner Astoria Theater binnen Minuten aus Sicht
der Fans zu einem denkwürdigen Ort in London geworden. Aufgeheizt von den
ebenfalls US-amerikanischen DRESDEN DOLLS, die durch ihre charismatische und
absolut faszinierende Darbietung den ersten Höhepunkt des Abends
manifestierten, brannten die Fans förmlich darauf die ersten Tone des bereit
gestellten elektronischen Pianos zu vernehmen. Je näher dieser Zeitpunkt
rückte, desto näher drängten die 1800 Menschen in Richtung Bühne, so dass
schnell klar wurde, dass der Wunsch nach Springen und Tanzen ein jähes Ende finden
würde. Ganze vier LKW-Ladungen waren nötig, die aufwendige Lichtanlage zu
transportieren, deren Installation erst kurz vor der Show vollendet war. Die
Vorfreude war groß und die Euphorie unbeschreiblich, als pünktlich die ersten
allzu bekannten Melodien aus den Lautsprechern drängten. Eine Mixtur aus „The
Frail“ und „The Wretched“ vom Album „The Fragile“ stimmten den Saal auf die kommenden achtzehn
Songs ein. Bauchkribbeln dürfte sich bei vielen breit gemacht haben, als sie
TRENT am Piano erspähten. Dem nihilistischem REZNOR alter Tag, der wie kein anderer
Sätze wie „Don‘t think you’re having all the fun / You know me - I hate
everyone“ verkörperte, ist einem in weißes Licht gehüllten, gesunden, freundlich
und gut trainiert wirkenden TRENT gewichen. Das Publikum genoss die
instrumentale Eröffnung des Abends und stimmte mit euphorischem Gesang ein, als
TRENT und seine Mannen von der Bühne spieen “You Know What You Are“! Beschimpfungen
des Publikums und der Bandkollegen gehören der Geschichte an. Vielmehr genießt TRENT
die Musik seiner Band, die heute nur noch einen Musiker der ursprünglichen Live-Formation
enthält; den gewandten und energetischen Schlagzeuger JEROME DILLON. Nach so
langer Bühnenabstinenz würde man den NINE INCH NAILS sicher verzeihen, wenn sie
etwas eingerostet wären, doch faktisch fegen sie so scharf über die Bühne, wie
die neuen Songs rocken. Vielleicht inspiriert vom neuen Tour-Line-Up, das unter
anderen von AARON NORTH unterstützt wird, der bei ICARUS die Saiten bearbeitete
und auf dem NINE INCH NAILS Konzert in London seine Zeit damit verbrachte, sich
und sein Instrument herumzuwerfen, verwischte TRENT mit Tracks wie „Wish“,
„March Of The Pigs“ oder „Closer“ die
Tatsache, dass er in diesem Jahr bereits die vierzigste Kerze auf seiner
Geburtstagstorte anzündete. Mehr als ein dutzend Songs des neuen Albums „With
Teeth“ stellte Trent dem erwartungsvollen Publikum vor, das es nicht kannte und
dennoch das Astoria Theater zum Beben brachte. Überrascht und ein bisschen erstaunt
horchte man auf, als sich REZNOR mehr als einmal bei den Fans für deren
phonetischen Beifall bedankte.
Für die Chance die NINE INCH
NAILS auf einem solchen fast intimen Konzert erlebt zu haben, kann man sich nur
bedanken und sicher sein, dass bei vielen ein bleibender Eindruck hinterlassen
wurde. Allen anderen, die diese Möglichkeit noch auf zahlreichen Festivals erhalten,
sei gesagt, dass es ein toller, energetischer und unvergessener Abend werden
wird.
Bericht: Marco Meirich
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