NINE INCH
NAILS
LADYTRON
London,
Brixton Academy
Gleich viermal machen Nine Inch Nails auf ihrer Europatour
in der altehrwürdigen Londoner „Brixton Academy“ Halt, die schon für zahlreiche
legendäre Live-DVDs und -Videos (u.a. Faith No More und jüngst Bullet For My
Valentine) als adäquate Location diente. In den zwanziger Jahren als eines von
vier „Astoria“-Theatern errichtet, beeindruckt vor allen Dingen die mehrmals
restaurierte und dementsprechend gut erhaltene Inneneinrichtung im Art-Deco-Stil.
Das Ganze gipfelt in einem riesigen Bogen über der Bühne mit jeder Menge fein
verzierter Nischen, Säulen und Balkönchen und bietet 5.000 Zuschauern Platz.
Tausend davon können es sich in einer Loge bequem machen, die von hinten bis
fast zur Hälfte in den nach unten abfallenden und somit sehr gute Sicht auf
alten Plätzen garantierenden, unteren Zuschauerbereich hineinreicht. Bei
Bühnenlicht ist es nahezu unmöglich, das sehr hohe Dachgewölbe der Halle zu
sehen, und es wird der Eindruck suggeriert, man stehe unter freiem Himmel.
Somit ist die „Brixton Academy“ definitiv eine der schönsten Konzert-Locations
weltweit.
Und wenn dann auch noch vor dem eigentlichen Hauptact eine
solch extrem langweilige, überflüssige und nichts sagende Kapelle wie die aus
Liverpool stammenden LADYTRON mit unzähligen Keyboards ein nerviges
Bontempi-Massaker veranstaltet, kann man zunächst in aller Ruhe die unzähligen
Details der beeindruckenden Architektur studieren. Denn viel zu sehen gibt es
auf der Bühne eh nicht. Drei Typen und drei Mädels mit dem Aktionsradius und
der Ausstrahlung eines nassen Handtuchs stehen sich die Beine in den Bauch,
zelebrieren einen Anne-Clark-für-ganz-ganz-Arme-Sound und dürften während des
kompletten Gigs wohl kaum mehr als fünf Kalorien verbrannt haben. Gemeinsam,
versteht sich. Was für ein Rotz! Die Truppe wird vom eigentlich ziemlich
relaxten englischen Publikum zum Teil mit Höflichkeitsapplaus, aber auch mit
Pfiffen und gestreckten Mittelfingern verabschiedet.
Nachdem in ewig lang erscheinender Kleinstarbeit die
beiden Spots am linken und rechten Bühnenrand justiert wurden, die NINE INCH
NAILS-Chef Trent Reznor auf jedem Livefoto seit Jahren gleich aussehen lassen,
folgt erst mal ein langes Intro, bevor es endlich losgeht. Videoleinwände gibt
es diesmal keine; lediglich ein paar Lichterstangen hinter der Band und von der
Traverse herunterbaumelnde Lampen über den Köpfen der Musiker sorgen für die
optische Unterstützung eines glasklaren Sounds in angemessener Lautstärke, der
sogar deutliche Stereoeffekte erkennen lässt. Der Set besteht neben den
obligatorischen Klassikern na, auch aus zwei Stücken vom kommen den Album „Year
Zero“ (Survivalism und The Beginning Of The End -‚ das an diesem Abend
angeblich zum ersten Mal live gespielt wird), die dem Großteil des Publikums
bereits aus dem Internet bekannt sind, wie man an den Reaktionen unschwer
erkennen kann. Obwohl es an der gewohnt starken, wenn auch wie immer sehr
wortkargen Performance von Herrn Reznor und seiner Begleitband - allen voran von
der räudigen Rock n’ Roll-Wildsau an der Gitarre in Person von Aaron North mit
einer erstklassigen Weirdo-Performance - nichts auszusetzen gibt, werden als
Highlights des Abends vor allen Dingen die fantastische Location und das extrem
textsichere und feierwillige Londoner Publikum in Erinnerung bleiben. Die Zugabe
„Head Like A Hole“ - wird vom ersten bis zum letzten Ton in einer Lautstärke
mitgegrölt, dass die P.A. kaum mithalten kann und man sich ernsthafte Sorgen um
die bauliche Substanz der „Brixton Academy“ macht. Genial!
Andreas
Hammelstein
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